1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
S74
Frankreick er-
wirbt Korsika.
Vermäblung
des Dauphin
mit Marie An-
toinette. Auf-
hebung der
Parlamente.
Tod Lud-
wigs Xv.
indem er behauptete, der Pater la Valette habe die Ordenßgesetze über-
schritten, welche den Handel verböten. Daß Gericht forderte deßhalb
die Jesuiten auf, ihre Constitutionen vorzuzeigen. Dies geschah, aber
das Parlament sprach denselben die Gültigkeit in einer Rechtssache ab
und verurtheilte den Orden zur Bezahlung der von la Valette gezogenen
Wechsel. Das Parlament, den Jesuiten langst feindlich gesinnt, unter-
warf bei dieser Gelegenheit die Satzungen des Ordens einer Prüfung und
erklärte, daß eine Reihe von Sätzen dem Staate gefährlich, daß die den
Jesuiten von den Päpsten ertheilten Vorrechte mit der kirchlichen, welt-
lichen und sittlichen Ordnung im Widerspruch ständen. Der Minister
Herzog von Choiseul ermunterte die Schritte des Parlaments. Man
stellte an den Ordensgeneral die Forderung einer gründlichen Revision
des Ordens und daß als Generalvicar für Frankreich ein Franzose er-
nannt werde Aber der General des Ordens verweigerte jede Reform
und erklärte, die Jesuiten müßten so bleiben, wie sie wären, oder gar
nicht mehr bestehen (sint ut sunt, aut non sint). Hierauf erfolgte
(1762) der Beschluß des Parlaments, daß die Gesellschaft Jesu in Frank-
reich völlig aufgehoben sein sollte, weil ihre Fortdauer mit der Wohl-
fahrt deß Staates unverträglich sei. Den einzelnen Jesuiten wurde der
Besitz von Pfarrämtern und Pfründen gestattet, wenn sie sich durch einen
Eid verpflichteten, aller Gemeinschaft mit dem Orden zu entsagen. Unter
Tausenden fand sich kaum Einer, der den Eid leistete. Da gab das
Parlament (1764) den Befehl, oaß alle Jesuiten binnen vier Wochen
Frankreich verlassen sollten. Der König milderte jedoch den Ausspruch
des Parlaments dahin, daß die gewesenen Jesuiten in Frankreich bleiben
könnten, wenn sie ohne alle Verbindung mit dem Orden als treue Unter-
thanen leben wollten.
Im Jahre 1768 erwarb Frankreich die Insel Korsika, indem die
Republik Genua, der dieselbe gehörte, sich außer Stande sah, einen
langjährigen daselbst außgebrochenen Ausstand zu unterdrücken, und da-
her die Insel gegen eine Geldsumme an Frankreich überließ.
Der König sank immer tiefer in Unwürdigkeit und legte es ordent-
lich darauf an, dem Throne alle Achtung zu rauben und den Umsturz
desselben vorzubereiten. Voll Grain über das sittenlose Leben seines Va-
ters starb (1765) der Dauphin, des Königs einziger Sohn, der mit
seiner Gemahlin in schöner Häuslichkeit und Treue lebte. Die Dau-
phine starb 1767 und die Königin Maria Lescinska 1768. Der
König blieb nicht gleichgültig bei dem Tode der Seinigen, aber seine
befferen Aufwallungen waren nicht von Dauer. In seinem sechzigsten
Jahre wurde er der Sklave eines Frauenzimmers, welches vorher ein
verworfenes Leben geführt hatte und das er zur Gräfin Dubarri er-
hob. Seit diese Frau gebot, wünschte Frankreich schmerzlich die Tage
der Pompadour zurück. In Paris häuften sich die Schmähschriften und
Spottlieder auf den gesunkenen König. Selbst der verworfene Hof war
über die Erhebung einer Dubarri empört, aber die meisten Höflinge
beugten sich bald in sklavischer Unterwürfigkeit, und nur der Herzog von
Choiseul grollte und ließ der Dubarri gelegentlich sogar seine Verachtung
blicken. Choiseul war es auch, welcher die Vermählung des Thronfol-
gers, des Sohnes vom verstorbenen Dauphin, mit Marie Antoinette