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1. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 410

1858 - Weimar : Böhlau
410 Reichsstädte. Bettlern. Die Zahl der begangenen Verbrechen war erstaunlich groß. Neunhundert Jesuiten hielten sich in Baiern auf und hatten Schulen, Hof und Volk in ihrer Gewalt. Die Schulen befanden sich im trau- rigsten Zustande, und auf der Landesuniversität Ingolstadt herrschten Aberglaube, Unwissenheit und das unsittlichste Schlemmerleben. Zwar zeigte sich auch in Baiern das Verlangen nach einer neuen und besseren Ordnung, aber die Geistlichkeit und der Adel waren zu mächtig und verhinderten in Verbindung mit den verknöcherten Juristen, daß das Licht der neuen Zeit auch Baiern erleuchtete. Der Kurfürst Maximi- lian Joseph (1745— 1777) hatte die besten Absichten, aber er und seine Räthe suchten überall durch bloße Verordnungen zu beffern und mischten sich in alles. Man beachtete nicht die Natur des Landes und den Charakter der Bewohner und suchte Fremdartiges und Fernliegendes zu erzwingen, statt das den Verhältnissen Angemessene zu pflegen. Man suchte die Fabrikation von Luxus-Waren zu Stande zu bringen und die Seidenzucht einzuführen, während es dem Lande noch an den nö- thigsten Handwerkern fehlte. Man bemühte sich dem Landbau durch allerlei Maßregeln aufzuhelfen und ließ die strengen Jagdgesetze bestehen, welche das zahlreiche Wild schützten. Man wollte den häufigen Ver- brechen Einhalt thun, aber daß von Kceitmayer, einem um die Ver- waltung verdienten Juristen, verfaßte Kriminal-Gesetzbuch vermehrte durch seine Strenge, durch Folter und Hinrichrungen die Zahl der Ver- brechen. Die geistlichen Fürsten suchten es an Prunk den weltlichen Höfen gleich zu thun. An ihren Tafeln wurde sehr gut gegessen und sehr viel getrunken. Der Erzbischof Joseph Clemens von Köln hatte anderthalbhundert Kammerherrn. Der Graf von Schönborn, welcher um 1731 Bischof von Wüczburg war, hatte in Würzburg und in Bam- berg einen vollständigen Hofstaat und an letzterem Orte wenigstens drei- ßig Kammerherrn. Sein Minister konnte zehn Maß Burgunder an einem Tage trinken. Daß Verhältniß der Reichsstädte zum Reich hatte sich nicht ver- ändert; in ihnen war alles fest und starr geworden, ohne Möglichkeit der Weitecentwickelung. Aus dem Reichstage thaten sich die Städte mehr hervor durch die kleinliche und argwöhnische Vertretung ihrer particula- ristischen Stellung, als durch Bereitwilligkeit, auch nur das kleinste Opfer zum Wohle des Reiches, etwa zur Vertheidigung desselben gegen die Franzosen, freiwillig zu bringen. Im Innern der Reichsstädte be- wirkte die streng abgeschlossene aristokratische Regierung für alle nicht regierenden denselben starren Zwang wie in den fürstlichen Territorien. Daß Verhältniß der städtischen Unterthanen gestaltete sich meist noch schlimmer, weil Verwaltung und Rechtspflege noch nach altem Zuschnitte geübt wurden, und die regierende Körperschaft jeder Verbesserung wider- stand. Der ganze Staat erschien als eine bloße Versorgungsanstalt für die politisch berechtigte Körperschaft, und die in diesem Sinne geleitete Verwaltung hatte es auch so weit gebracht, daß die reichen Einkünfte vieler Reichsstädte nicht mehr zur Bestreitung des Staatshaushaltes hin- reichten.
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