1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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und politischen Schwärmerei, welche sich bei Klopstock riuch in seiner
begeisterten Begrüßung der französischen Revolution kund gab.
Ein großes Verdienst Klopstocks ist es, daß durch ihn zuerst die
Maße und Formen des klassischen Alterchums für die deutsche Poesie
gewonnen und in ihnen deutscher Geist und deutsche Stoffe dargestellt
wurden. Länger als zwei Jahrhunderte war die Literatur der Griechen
und Römer in Deutschland Gegenstand des eifrigsten Studiums gewe-
sen, aber noch herrschte in Deutschland völlige Bewußtlosigkeit von dem
inneren Werthe jener großen antiken Dichtungen. Man mißhandelte
jene edlen Erzeugnisse deß römischen und griechischen Geistes als bloße
Phraseologien und brachte nur hölzerne, geistesleere Nachahmungen des
Antiken zu Markte. Man blieb Jahrhunderte lang aus dem Standpunkte
des unmündigen, sich plagenden Schülers stehen, bis endlich mit Klop-
stock die lange Schulzeit vorüber war, und das durch so lange Uebun-
gen Erlernte, in Saft und Blut Verwandelte als freies Eigenthum des
frei gewordenen Geistes an das Licht trat. Die Deutschen sind, wie
kein anderes Volk, hinausgekommen über die bloß handwerksmäßige Be-
schäftigung mit den Alten; die Maße und die Formen der Alten sind
die unsrigen, ihre Anschauung ist unsere Anschauung, ihre Gedanken
unsere Gedanken. Alles dieses beginnt mit Klopstock in Entwickelung
und Blüthe zu treten. Er hat der deutschen Poesie die Versmaße der
Alten gegeben, deren Nachahmung so oft versucht, aber niemals gelun-
gen war. Durch die antiken reimlosen Verse hat uns Klopstock von
dem handwerksmäßigen Klingeln mit Reimen, von dem todten Forma-
lismus, in welchen unsere Poesie versunken war, frei gemacht, und
uns die Richtung auf große Gedanken, als das den Vers Erfüllende
und die Dichtung Erzeugende, auf eine edle, erhabene und wahrhaft
dichterische Sprache gegeben.
In der Messiade besingt Klopstock die Erlösung des Menschen
durch Christus. Auf dieses religiöse Epos in zwanzig Gesängen gründet
sich vorzüglich Klopstock's Ruhm, dasselbe ist in fast alle europäischen
Sprachen übersetzt und vielfach erklärt und beurtheilt worden. Der hohe
Werth des Gedichtes liegt in den lyrischen Partien; als Epos ist daß
Gedicht vielfach getadelt worden. „Die Messiade, sagt Schiller, ist mir
als ein Schatz elegischer Gefühle und identischer Schilderungen theuer,
wie wenig sie mich auch als Darstellung einer Handlung und als epi-
sches Werk befriedigt." Die Passionsgeschichte ist nicht geeignet zur epi-
lcheir Behandlung, da sie für die Gestaltung wahrer Charaktere und die
Schilderung wechselnder Handlungen wenig Stoff bietet und überdies
als geheiligte Ueberlieferung dem freien Schaffen der Phantasie unüber-
steigliche Schranken setzt.
Die eigenthümliche Klassicität Klopstocks liegt in seinen Oden.
Der lyrische Schwung, der in der erzählenden Dichtung ermüdet, ent-
faltet sich hier zu einem majestätischen Fluge. In den Oden haben wir
das vollständige Abbild von der Dichterpersönlichkeit Klopstock's; sie finb
nicht nur der Ausdruck seiner tiefen religiösen Gefühle, sondern er feiert in
denselben auch die Freundschaft, die Liebe und das Vaterland, und beglei-
tet mit diesen Accorden sein ganzes langes Leben, so daß wir in den
Oden Zeugnisse seiner frühesten wie seiner spätesten Productivität haben.
Klopstock hat auch eine Reihe älterer Kirchenlieder umgestaltet und eigene