1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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dische gelähmt. England erhielt die Herrschaft auf dem Meere, ihm
konnte auch der Welthandel nicht entgehen.
Erst jetzt fand das handelspolitische System, welches Cromwell
durch die Navigationsakte begründet hatte, seine umfassende folgenrechte
Anwendung. Die englische Handelsmarine gelangte bei dem
über alle Welttheile ausgedehnten Besitz von Kolonien zu einer solchen
Stärke, daß ihr die Konkurrenz der Holländer nicht mehr schaden konnte.
Die erstaunliche Zunahme des Kohlentransports und der Fischereien war
für die Ausbildung der englischen Marine eine gute Schule. Zwar
konnten die Engländer ihre Frachten nicht so billig stellen, als die
Holländer, und diese blieben im Zwischenhandel im Vorrang, aber die
Engländer fanden hinlängliche Beschäftigung in der Betreibung des
Etgenhandels, von dem sie jede fremde Flagge ausgeschlossen hatten.
Es galt die Gegenstände des Eigenhandels an Zahl und Werth zu ver-
mehren, die Manufakturkraft des Mutterlandes und die Ausbeute der
Bodenprodukte in den Kolonien zu befördern. Zu diesem Zwecke diente,
unter den damaligen Umständen, das Merkantilsystem.
Unter den englischen Industriezweigen stand als der älteste die
Wollfabrikation auch jetzt noch oben an. Die häufigen Einwände-
rungen französischer Hugenotten und holländischer, vorzüglich in der
Kunst des Färbens und Appretirens bewanderter Arbeiter verschafften der
Fabrikation eine stets fortschreitende Vervollkommnung. Die Leinwe-
berei war bereits seit längerer Zeit in Irland eine Art Hausindustrie,
jetzt kam sie auch in den größeren Handel und zur Ausfuhr, die sonst
nur in französischen, niederländischen, russischen und deutschen Leinen
stattgefunden hatte. Eine Menge Verordnungen deß Parlaments suchten
die Leinweberei auf jede Weise zu heben und zu befördern. Bereits
unter Elisabet waren Seidenmanufakturen gegründet worden, aber
diese konnten bei der bedeutenden Einfuhr französischer Seidenstoffe nicht
aufkommen. Die Aufhebung des Edikts von Nantes führte viele Sei-
denweber nach England, welche ihre Gewerbe in Spitalfield bei
London wieder anfingen und neue Zweige ihrer Kunst einführten. Ihrem
Verlangen nach Schutz kam die Regierung bereitwillig entgegen; es
wurde aber dadurch nichts ausgerichtet, indem Frankreich seine Seiden-
waren auf dem Wege des Schmuggels einführte. Die Verarbeitung
der Baumwolle machte sehr langsame Fortschritte. Die Fabrikation
nahm etwas zu, als die Baumwolle der amerikanischen Kolonien zur
Ausfuhr kam. Manchester war der Hauptsitz, verschiedene Baumwoll-
stoffe erhielten daher ihren Namen. Große Spinnereien nach dem heu-
tigen Begriff bestanden in dieser Zeit noch nirgends. Die anhaltende
Vertheuerung der seinen Schafwolle bewirkte, daß man die Baumwolle
nicht aus den Augen verlor, deren Bezug seit Vermehrung des An-
baus in den Kolonien immer wohlfeiler wurde. Als der Zimmermann
Hargraves (1767) das sogenannte spinnende Hannchen erfand
und wenige Jahre darauf Arkwright mit einer noch vollkommnern
Spinnmaschine folgte, da trat ein in den Annalen deß Gewerb-
fleißes unerhörter Umschwung der Dinge ein. Die Baumwollsabrika-
tion überholte schnell die übrigen Manufakturen und überwand alle
Schwierigkeiten, so daß weder die erstaunliche Billigkeit des Arbeitsloh.
nes in Indien, noch der Grad der Vollkommenheit, welchen die Arbeiter
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