1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Die Nieder-
lande bis zur
Ernennung
Wilhelmsvon
Dranien zum
Statthalter.
Die Nieder-
lande unter
Wilhelmlu.,
Iv. u. V.
3) Die vereinigten Niederlande.
Nach der Befreiung der niederländischen Provinzen von der
spanischen Herrschaft hatten die höchste Gewalt die Generalstaaten,
wie man die Versammlung der ständischen Deputirten der einzelnen
Landschaften nannte. Jede Provinz sandte gewöhnlich .sechs bis sieben
Abgeordnete, hatte jedoch nur eine Stimme. Der Vorsitz wechselte von
einer Woche zur andern. Wichtige Beschlüsse, z. B. über Krieg und
Frieden, neue Steuern, Bündniffe, Abänderung der Grundgesetze, er-
forderten Einstimmigkeit aller Provinzen. Für die Vollziehung der Be-
schlüsse sorgte der Statthalter, welcher von den einzelnen Provinzen
gewählt wurde; ihm zur Seite stand der hohe Rath, der sich in drei
Kollegien, für Polizei, für Finanzen und für Marinesachen schied. Der
Statthalter hatte auch die Verwaltung des Kriegswesens, war Ober-
anführer der Land - und Seemacht und ernannte die Officiere. Die
Verfassung so wie der Einfluß des Statthalters in den einzelnen Pro-
vinzen war sehr verschieden. Die mächtigste unter den verbundenen
Provinzen war Holland, welches über die Hälfte zu allen gemeinsa-
men Abgaben beisteuerte. Den Vorsitz auf dem Landtage von Holland
hatte der Ra thßpensi o n ar. Derselbe Beamte leitete auch an der
Spitze des Rathes von Holland die Verwaltung dieser Provinz, und
fehlte niemals unter den Deputirten Hollands zu den Generalstaaten.
Ec war der erste Beamte nach dem Statthalter. Statthalter aber
der vereinigten Niederlande war nach dem Tode von Friedrich Hein-
rich (1647) dessen zwanzigjähriger Sohn Wilhelm Ii. Dieser starb
schon vach drei Jahren (1650), und erst nach seinem Tode gebar seine
Gemahlin einen Knaben, der nachher Wilhelm Heinrich genannt
wurde. Dieses Ereigniß, zu einer Zeit, wo der Handel Hollands
die höchste Blüthe erreicht hatte, das Volk sich seiner ganzen Kraft
bewußt war und die Kunst und Wissenschaft ein reiches Leben entwickelte,
weckte die republikanische Partei zu neuer Thätigkeit, und auf einer Ver-
sammlung der Generalstaaten wurde der Beschluß gefaßt, für die Zu-
kunft keinen Statthalter mehr zu erwählen.
Der Erlaß der Navigationsakte (S. 509) (1651) veranlaßte
einen Seekrieg mit England. So tapfer auch die Holländer unter
Ruyter, der vom Matrosen zum Admiral emporgestiegen war, und
unter Tromp kämpften, die Kräfte ihres kleinen Freistaates waren
der aufblühenden Macht Englands nicht gewachsen und im Frieden
(1654) mußten sie die Schifffahrtsakte anerkennen. Dessenungeachtet
blieb der Handel der vereinigten Niederlande dem englischen überlegen.
Es brach unter Karl Ii. abermals ein Krieg mit England aus
(1664—1667). Tromp und Ruyter kämpften muthig zur See, und
Letzterer zwang durch Besetzung der Themsemündung Karl Ii. zum Frieden
von Breda.
Als (1672) die vereinigten Niederlande in Folge des von Lud-
wig Xiv. begonnenen Rachekrieges den mächtigen Heeren Frankreichs