1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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der Holländer. Als aber die holländischen Werften verödeten und der
deutsche Wein nicht mehr nach dem Norden ausgeführt wurde, da blie-
den wohl die holländischen Einfuhren von Kolonialwaren, aber von
deutschem Holz und Wein war keine Rede mehr.
Die südlichen Provinzen der Niederlande blieben unter spani-
scher Herrschaft. Ihr alter Weltmarkt ging verloren. Der westphälische
Friede entzog den spanischen Niederlanden die natürlichste Bedingung
für den Wiederaufbau der gesunkenen Größe, unterband durch die
Sperrung der Sckelde die Ader ihres Verkehrs mit dem Ausland und
verbot ihnen jeden Handel mit den spanischen Kolonien. Eine bessere
Zeit kam für die südlichen Niederlande, als sie durch den rastadter Frie-
den (1714) von Spanien an Oestreich übergingen. Es hob sich
der Wohlstand durch Industrie und Ackerbau. Getraide fand in Eng-
land stets einen Markt, und die ausgezeichnete Kultur des Flachses be-
förderte die Linnenfabrikation, besonders in den feinen Geweben und
Spitzen. Die Tuchmanufakturen hoben sich wieder, die Verarbeitung
der Baumwolle nahm zu; es entstanden Papier- und Lederfabriken,
Bierbrauereien und Zuckerraffinerien. Dagegen glückten nicht die Ver-
suche Handel und Schifffahrt emporzubringen. Um sich einen Antheil
an dem ostindischen Handel zu verschaffen, gründete Kaiser Karl Vi.
(1722) die Kompagnie von Ostende, aber diese wurde von der engli-
schen und holländischen Eifersucht im Entstehen erdrückt. Vorüberge-
hende Vortheile brachte den östreichischen Niederlanden der nordameri-
kanische Freiheitskrieg. Holland wurde zu seinein Schaden in denselben
verwickelt, während die östreichischen Niederlande neutral blieben. Es
fiel diesen die Frachtschifffahrt zu und sie machten Unternehmungen nach
Westindien. Flandern und Brabant waren auf dem besten Weg zur
Wiedererlangung der alten Größe, da störte der Ausbruch der Empö-
rung gegeri die östreichische Herrschaft den Entwickelungsgang.
Die holländische Frachtschifffahrt hatte einen außerordentlichen Um-
fang erreicht, als ihr durch die englische Navigationßakte ein empfind-
licher Schaden zugefügt wurde. Das Beispiel Englands ahmten andere
Staaten nach. Dazu kam die Konkurrenz der nordischen Staaten und
der Hansestädte, welche gleich billige Frachten stellten. Auch der hol-
ländische Heringsfang, diese Goldgrube Hollands, verminderte sich da-
durch, daß seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts Deutsche, Franzosen
und Engländer denselben mit Eifer betrieben.
Noch früher, als der Verfall des holländischen Handels erfolgte
der Verfall der holländischen Industrie. Colberts Merkantilsystem traf
Holland empfindlich. Der neue Tarif belegte die Einfuhren holländischer
Fabrikate mit unmäßigen Zöllen, verbot einige geradezu. Ueberall zeig-
ten die Regierungen das Streben eine nationale Staats > und Volks-
wirlhschaft zu führen, die einheimische Industrie durch Schutzmaßregeln
zu heben und die fremde von dem innern Markt auszuschließen. Der
innere Markt war ein zu kleines Feld für die holländische Gewerbsthä-
tigkeit. Die große Schuldenlast des Landes, die Folge langwieriger
Kriege, machte hohe Abgaben nöthig. Die Konsumtionssteueru ver-
theuerten die nöthigsten Nahrungsmittel und erhöhtem die Arbeitslöhne.
Die meisten Rohstoffe mußten vom Ausland bezogen werden, welches,
als es selbst sie zu verarbeiten anfing, deren Ausfuhr erschwerte, oft