1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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ganz verbot. Das Alterthum kannte nur einen Warenhandel, erst das
spätere Mittelalter brachte durch Erfindung der Wechsel und Einrichtung
der Banken einen Geldhandel auf. Mit der Ausbreitung und Vermeh-
rung des Warenhandels hielt der Geldhandel der Holländer gleichen
Schritt. In keinem Lande war Geld so leicht und so wohlfeil zu
haben. So kam es, daß der Wechselkurs auf Amsterdam durch die
ganze Welt voranstand, und viele bedeutende Handelsplätze konnten ihre
Rimessen nicht anders als auf Amsterdam machen. Die Kaufleute von
Amsterdam gründeten (1609) die Bank, wo jeder Kaufmann seine
Hauptkaffe niederlegen und dann durch bloßes Ab- und Zuschreiben in
den Büchern der Anstalt seine Zahlungen leisten und empfangen konnte.
Die amsterdamer Bank war eine reine Giro- und Depositenbank und
ihr ganz ähnlich die 1612 in Rotterdam gegründete. Inländische An-
leihen an die Generalstaaten, an die Einzelstaaten, an Stadtgemeinden,
Handelskammern und andre Kollegien kamen frühzeitig vor, und die
darüber ausgestellten Obligationen mochten auch in kleinen Kreisen um-
laufen. Allein erst nach dem utrechter Frieden beginnt der europäische
Effektenhandel Amsterdams. Als der holländische Handel an Umfang
verlor, die Industrie in Abnahme gerieth, da konnten die in glücklichen
Zeiten angesammelten Kapitalien im Lande selbst kein Unterkommen mehr
finden und mußten sich einen andern Ausgang suchen. Die großen
Staaten, die zur Führung ihrer Kriege außerordentlicher Geldmittel be-
durften, fanden diese in Holland und bewilligten höhere Zinsen, als die
in Holland üblichen. Die Papiere aller dieser Anleihen und die Aktien
der mannigfachsten Handels- und Jndustrieunternehmungen des Jn-
und Auslandes kamen auf die amsterdamer Börse. Bald drang dabei
mancher Schwindel ein, und das Verlangen schnell reich zu werden
erzeugte das Börsenspiel. Ein schlimmer Mißbrauch des Börsengeschäfts
unsrer Zeit, nämlich die Zeitkäufe, kam schon damals vor. Man kaufte
und verkaufte, ohne die Aktien zu besitzen, und zahlte sich am Liese-
rungstage nur die Differenzen, je nachdem sie gestiegen oder gefallen
waren. Verschiedene dagegen erlassene Verbote blieben fruchtlos.
Bereits während des Mittelalters war Amsterdam von einem
Fischerdorfe zum ersten Seehafen der nördlichen Niederlande und dem
Emporium des nordischen Handels emporgewachsen. In dem Verhält-
niß, wie sich der Welthandel erweitert hatte, übertraf Amsterdam an
Mannigfaltigkeit, Größe und Umfang der Geschäfte die gepriesensten
Handelsplätze der Vergangenheit. Und wie viele andere blühende Han-
delsplätze erhoben sich neben der Metropole auf dem kleinen Gebiete der
Republik! Rotterdam, Middelburg, Delft, Enkhuisen, Hoorn
und das alte Dortrecht.
Der westphälische Friede brachte der holländischen Republik die
größten Vortheile. Die Republik wurde als selbständige Großmacht an-
erkannt, ihr Besitzthum in Europa und den Kolonien gewährleistet und
die Sperrung der Schelde bestätigt. Bald zeigte es sich, daß die amster-
damer Börse in ihrer Weise die Welt ebenso unterthänig zu machen strebte,
als das madrider Kabinet. Wo -die Republik durchzukommen hoffte,
scheute sie selbst offene Gewalt nicht, und was sie durch Gewalt nicht
erreichte, das suchte sie durch die feine Politik der Handelsverträge
durchzusetzen. Frankreich und England hatten die Niederlande mit Geld