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1. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 588

1858 - Weimar : Böhlau
588 zes Wesen hatte mehr Männliches als Weibliches; sie verachtete Weiberputz und weibliche Beschäftigungen, trug gern Mannskleider, war am liebsten in männlicher Gesellschaft und spornte, wie eine Ama- zone, den schnaubenden Renner durch den Wald. Rastlos thätig glich sie einem Geschäftsmanne und arbeitsamen Gelehrten. Entbehrungen, Beschwerden und Gefahren verachtete sie; Weichlichkeit schien ihr ein Laster. Sie war von kleiner Gestalt und trug eine Schulter etwas höher als die andere. Ihre Unterhaltung war lebhaft und geistreich, und eine gewisse natürliche Gutmüthigkeit machte ihren Umgang höchst angenehm. Es mangelten ihr aber Ruhe und besonnene Kraft; von maßlosem Ehrgeiz getrieben, gerieth sie in vielfache Uebertreibungen, wurde eigensinnig und jähzornig. Schon im sechzehnten Jahre wurde sie von Oxenstierna in die Sitzungen des Reichsrathes eingeführt. Nachdem sie 1644 die Regie- rung übernommen hatte, betrieb sie mit dem größten Eifer die Staats- geschäste. Niemals versäumte sie eine Sitzung des Reichsrathes, stets verschaffte sie sich vorher die genaueste Kenntniß von den Gegenständen, welche zum Vortrag kommen sollten, und gab am Schlüsse der Vor- träge ihr selbständiges, unbestochenes Urtheil. Mit den Gesandten frem- der Mächte verhandelte sie ohne Mittelsperson. Die Einkünfte des schwedischen Reiches waren der Größe deffelben nicht angemessen. Bei der Verschiedenheit der Provinzen war es schwer, allgemeine Steuern einzuführen, und der Adel war nicht zur Zahlung von Abgaben zu bewegen. Die Einkünfte genügten nicht, um ein ste- hendes Heer und einen glänzend eingerichteten Hof zu halten und die Anforderungen eines verschwenderischen Adels zu befriedigen. Die Do- mänen oder Kcongüter waren die Hauptquelle der Staatseinkünfte. Ge- rade diese Quelle aber versiegte durch die großartige königliche Manier, mit welcher Christine die Krongüter an ihren Hofadel verschenkte. Die Verschwendung und schlechte Haushaltung der Königin überstieg allen Glauben. Sie verschenkte ein Krongut nach dem andern, und alle ihre Günstlinge lebten im Ueberflusse, während sie selbst nicht nur oft Mo- nate lang ihre Dienerschaft nicht zu bezahlen vermochte, sondern auch ihr Silbergeschirr versetzen und bei ihren Günstlingen borgen mußte. Christine setzte sich durch eigenhändige Briefe mit den vorzüglichsten Gelehrten des Arislandes in Verbindung und lud sie ein nach Schwe- den zu kommen. Es kamen an ihren Hof Claudius Saumaise, ein Mann von außerordentlicher antiquarischer Gelehrsamkeit, die Philo- logen Freinsheim, Isaak Vossius, Meibom und Nikolaus Heinsius, der Sohn des berühmten Daniel Heinsius, Hermann Conring aus Helmstädt, eben so berühmt als Arzt wie als Rechts- gelehrter, Johann Loccenius aus Holstein, ein ausgezeichnerer Ju- rist und Historiker, und der französische Arzt Räude. Der ehrwürdige des Car tes starb in Stockholm, und Gassen di schickte Christinen seine mathematischen Werke. Christine sammelte mit großem Aufwand Bücher, Gemälde und Antiken. Ihre Freigebigkeit gegen die Fremden, die sie mit großen Summen belohnte, und die Feste, welche sie rm schlechten Geschmack ihrer Zeit kostbarer und häufiger als je zuvor an- stellen ließ, vermehrten die ohnehin schon große Finanznoth des armen Staates. Die Klagen hierüber verletzten die Königin; noch unangeneh-
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