1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Namen Summen aus den kaiserlichen Kassen nehmen, bezahlte aber
die Leute nicht, die für ihn arbeiteten oder ihm Lieferungen machten.
Unter den Plänen Katharinas nahm der Umsturz deß türkischen
Reiches die Hauptstelle ein. Potemkin arbeitete deshalb an einer Ver-
bindung zwischen Rußland und Oestreich und betrieb die völlige Un-
terwerfung der Krimm. Potemkin machte 1782 eine Reise nach
Cherson und brachte den Chan der Tataren, Schahin Gherai,
dahin, daß er eine Gesandtschaft nach Petersburg schickte, um seine
Unterthänigkeit zu erklären. Als sich die Brüder des Chans widersetz-
ten, rückten sogleich Russen in die Halbinsel ein. Schahin Gherai trat
seine oberherrlichen Rechte, die er als Wahlfürst gar nicht verschenken
konnte, für sich und seine Nachkommen an Rußland ab, erhielt ein
Jahrgeld und verließ das Land (1783). Das ganze Land vom Dniper
bis zum Kaukasus wurde von den Rüsten unterworfen und unter den
Namen Taurien und Kaukasien dem russischen Reiche einverleibt.
Die Pforte erkannte Rußlands Hoheit über diese von Mohammedanern
bewohnten Länder an und gewährte den Russen überdies einen vortheil-
haften Handelsvertrag.
Potemkin erhielt den Oberbefehl über das neu gewonnene Land;
er vernichtete alle bisherigen Einrichtungen und verpflanzte die Einwoh-
ner in andere Gegenden. Bisher waren alle Versuche der zahlreichen
Feinde Potemkins, diesen in der Liebe seiner Gebieterin zu stürzen, er-
folglos geblieben. Als man jetzt der Kaiserin vorstellte, daß durch Po-
temkin die neuen Provinzen in eine Wildniß verwandelt würden, beschloß sie,
sich durch den Augenschein von der Wahrheit dieser Anschuldigungen zu
überzeugen. Von ihrem Hofe und den Gesandten auswärtiger Mächte
begleitet, machte Katharina 1787 nach diesen Gegenden eine Reise, für
welche alle Pracht des Orients aufgeboten wurde. Potemkin verstand
es, den neuen Ländern den Schein schneller Blüthe zu geben. Hundert-
tausende von Arbeitern wurden durch ihn in Bewegung gesetzt. Volks-
massen wurden vierzig Meilen weit zusammengeholt, um an verschiede-
nen Orten das Blendwerk einer zahlreichen Bevölkerung darzubieten.
Dieselben Heerden Vieh wurden des Nachts von einem Orte zum an-
dern getrieben, um von der Kaiserin mehr als einmal gesehen zu wer-
den. Städte und Dörfer wurden nach Art von Theatercoutissen aufge-
schlagen, so daß die Häuser von der Ferne den Anblick der Vollendung
darboten, aber nur aus einer Wand bestanden. Cherson, wo vor neun
Jahren noch ein tiefer Sumpf war, bot den Anblick einer blühenden
Handelsstadt, aus Moskau und Warschau hatte man Waren herbeige-
schafft, auf den Werften waren Arbeiter mit dem Zimmern von Kriegs-
schiffen beschäftigt, und 200 Kauffahrer lagen in dem geräumigen Hafen.
Aus der Reise durch die Krimm begleitete Joseph Ii. die Kaiserin.
Die Reise Katharina's und ihre Zusammenkunft mit Kaiser Joseph Ii.
erregte den Argwohn der Türken und weckte ihren Nationalstolz. Sie
waren verletzt durch die wiederholten Kränkungen Rußlands, rechneten
auf die Unterstützung von England, Preußen und Schweden und erklär-
ten deshalb 1787 den Krieg an Rußland. Der Kaiser Joseph
stellte 1788, dem geschlossenen Bündnisse gemäß, 200,000 Mann, die
sich in einer langen Strecke vom Dniester bis ans adriatische Meer in
fünf abgesonderten Haufen vertheilten. An diese schlossen sich zwei