1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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unter die Hälfte ihres früheren Bestandes herabgesetzt. Da es dem Kö-
nig August nicht gelungen war, durch Gewalt die Polen in größere
Abhängigkeit zu bringen, so suchte ec dieses durch Prunk und Verfüh-
rung zu erreichen. Ec hielt einen glänzenden und üppigen Hof, an
welchem die Künste der Verfeinerung mit den Genüssen der rohen Sar-
matenkcaft verbunden wurden. Damals zuerst wohnten polnische Frauen
den Hoffesten bei und erlangten Einfluß auf die Staatsangelegenheiten.
Dennoch erreichte der König seinen Zweck nicht, die Herrschaft des Adels
in gehorsame Unterthäuigkeit zu verwandeln. Um das zu bewirken,
scheute der König kein Mittel, ja er überließ sogar seine vormaligen
Glaubensgenossen der Verfolgung, um die von seinen Gegnern gegen
ihn erhobene Verdächtigung, daß er nicht eifrig katholisch sei, zu ent-
kräften.
Als August Ii. 1133 gestorben war, richteten sich die Blicke der
Polen auf Stanislaus Leszinsky, und der französische Hos betrach-
tete es als einen Ehrenpunkt, daß dem Schwiegervater des Königs die
verlorene Krone wieder auss Haupt gesetzt werde. Der französische Ge-
sandte in Warschau gewann durch Vertheiluug von Geld und durch
Hinweisung auf den mächtigen Schutz seines Königs die Stimmen vieler
Großen, so daß 60,000 Polen auf dem Wahlselde für Stanislaus
stimmten. Dagegen gelang es dem Sohne von August Ii., dem Kur-
fürsten Friedrich August von Sachsen, Rußland und Oestreich
für sich zu gewinnen. Während östreichische Regimenter sich in Schlesien
aufstellten, sammelte sich ein russisches Heer in der Ukraine und ein
zweites an den Grenzen von Kurland. Von einigen von dem Kurfür-
sten von Sachsen erkauften Großen gerufen, rückten 20,000 Rüsten in
Polen ein, und durch eine zweite Wahl wurde von einer kleinen Zahl
von Anhängern der Kurfürst unter dem Namen August Iii. als König
ausgerufen. Stanislaus sah sich genöthigt nach Danzig zu entweichen,
wo er von einem russischen und sächsischen Heere belagert wurde und
sich als Bauer verkleidet durch die Flucht rettete.
August Iii. (1733 —1763) spielte als Schattenkönig von Polen
eine klägliche Rolle. Er mußte vor seiner Krönung Pacta Conventa
von 75 Artikeln beschwören, was er in und für Polen alles thun und
nicht thun wolle; es fehlte ihm an Macht wie an Geschick und geistiger
Kraft, die in der Staatsverwaltung Polens der Wirksamkeit des Königs
entgegenstehenden Hinderniste zu überwältigen. Die schon unter seinem
Vater gegebenen Gesetze zur Ausschließung der Dissidenten von allen
Staatsämtern wurden verschärft. Der König war träge und stumpf.
Seine einzige Leidenschaft war die Jagd. Die Staatsgeschäfte überließ
er seinem Günstlinge, dem Grafen Heinrich von Brühl, der in
Festen, Kleidungen, Equipagen und dergleichen einen grenzenlosen Auf-
wand machte und, um das erforderliche Geld aufzutreiben, Sachsen mit
Schulden belastete und in Polen die Staatsämter an den Meistbietenden
verkaufte. August 111. und sein Minister buhlten um die Gunst der
russischen Günstlinge und schienen sich nur als untergeordnete Geschäfts-
träger des Petersburger Hofes zu betrachten. Warschau war gleichsam
die Hauptstadt einer russischen Provinz. August hielt sich meistens in
Dresden aus, weil die Wälder des Kurfürstenthums ihm zur Jagd mehr
gefielen, als die Wälder Polens. Polen befand sich fast ohne eigentliche