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1. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 646

1858 - Weimar : Böhlau
646 dem Adel und 300 aus der Geistlichkeit berufen, am 27. April 1789 in Ver- failles zu erscheinen. Necker versäumte es, der Regierung den nöthigen Einfluß aus die Wahlen zu verschaffen, und überließ dieselben den Gegnern des Hofes und den Feinden des Thrones. Bei dem Mangel angemeffener Beschrän- kungen der Wählbarkeit wurden zu Abgeordneten des dritten Standes eine Menge Menschen ohne Vermögen, besonders Advokaten, gewählt, die mehr zu gewinnen als zu verlieren hatten. Aber der größte Mißgriff des Ministers bestand darin, daß er den König weder die Form der Versammlung, noch die Grenzen ihrer Befugnisse vorher bestimmen ließ, so lange dies noch vom Könige abhängig war. Ueber die Macht der Versammlung herrschten so dunkle Vorstellungen, daß man meinte, die ganze Staatsgewalt sei in ihre Hand gelegt. Indem Necker der Ver- sammlung selbst die Entscheidung über ihre Form überließ, legte er gleich in die Vorhalle derselben einen Stein des Anstoßes und der Zwietracht. Er sprach viel von Einführung der englischen Verfaffung, übersah aber die beständige Theilnahme der englischen Minister an den Verhandlungen des Parlaments und das durch sie für die Krone ausgeübte Recht der Gesetzesvorschläge. Weder sich noch seinen Amtsgenossen verschaffte Necker einen Platz in der Versammlung, um in derselben die Rechte des Königs zu vertreten. Zu Anfange des Mai's waren die Abgeordneten in Versailles ver- sammelt. Der Adel erschien in schwarzsammtnen, mit Goldstoff gefüt- terten Mänteln und trug Hüte mit hohen Federn; den Deputirten des dritten Standes waren einfache schwarze Mäntel und Hüte ohne Federn vorgeschrieben; der Adel und die Geistlichkeit wurden zur Vorstellung bei dem Könige durch beide geöffnete Flügelthüren eines Prunksaales ge- führt; dem dritten Stand öffnete sich nach langem Harren im Vorsaale nur eine halbe Flügelthür zu einem gewöhnlichen Zimmer des Königs, durch welches die Abgeordneten schnell durchziehen mußten. Diese klein- lichen Berechnungen zeigten eine Verkennung der herrschenden Stimmung und verfehlten ihren Zweck, da der Adel die Auszeichnung als ein Recht betrachtete, der dritte Stand durch die Zurücksetzung sich scbwer gekränkt fühlte. Im langen Zuge begaben sich am 4. Mai die Abgeordneten zur Anhörung einer Messe in die Kirche, und am folgenden Tage wurde die Versammlung feierlich eröffnet. Die Deputirten saßen nach den drei Ständen abgetheilt vor dem Throne, und den Glanz des anwesenden Hofes verdunkelte der Ehrfurcht gebietende Anblick, den die zahlreichen, seit 175 Jahren zum ersten Male wieder berufenen Stellvertreter der Nation gewährten. Viele Vornehme, besonders Frauen, wurden von bangen Ahnungen ergriffen; die Königin sah sehr bewegt aus; nur der König zeigte seine gewöhnliche Ruhe und sprach in einer vom Throne gehaltenen Rede, in einem würdigen Tone gute Hoffnungen aus, ohne die bedenkliche Lage des Staates zu verschweigen. Die Rede des Königs wurde mit Beifall angehört; dagegen mißfiel Neckers drei- stündiger ermüdender Vortrag. Der Minister wollte plötzlich die Thätig, keit der Versammlung auf die Finanzhülfe beschränken; er verlangte Gehorsam für die Befehle des Königs, zählte die Mittel her, durch welche der König sich hätte helfen können, ohne die Stände zu berufen, und schilderte die Vorrechte des Adels von ihrer rechtlichen Seite. Necker
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