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1. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 656

1858 - Weimar : Böhlau
656 Wegführung des Königs von Versailles nach Paris. das Oberhaus rückgängig zu machen, ehe er als Gesetz ausgesprochen wird. Als Ludwig Xvi. den Beschlüssen vom 4. August seine Zustim- mung mit einigen Einschränkungen ertheilte, wurde die unbedingte Be- stätigung ohne allen Aufschub gebieterisch verlangt. Die Nationalver- sammlung erklärte solche Gesetze , welche wesentliche Artikel der Verfassung ausmachten, auch ohne die königliche Genehmigung gültig. Während dieser Verhandlungen erreichte die Fingnznoth den höch- sten Grad. Der Ertrag der Zölle stockte, weil der Handel darniederlag; daß Landvolk wähnte sich frei von allen Abgaben und verweigerte fast überall die bedeutende Salzsteuer. Daß der König und die Königin ihr Silberzeug nach der Münze sandten, konnte nur geringe Erleichterung gewähren. Zwei neue Anleihen hatten keinen Fortgang. Neckec machte daher den Vorschlag, jeder Staatsbürger solle den vierten Theil seines Einkommens zur Tilgung der Staatsschulden überlas- sen, und er selbst fing damit an, daß er 100,000 Livres, als den vier- ten Theil deß [einigen, hergab. Während die Nationalversammlung noch über Neckers Vorschlag berathschlagte, nahmen Geldmangel und Hungersnoth zu. Necker verwandte große Summen darauf, die Hauptstadt mit Getraide zu versehen; aber daß Gerücht behauptete, der Hof fülle die Kornhäusec für neue Truppenzusammenziehungen. In der That wurde die damalige Noth von Leuten benutzt, welche den König durch neue Ausbrüche der Volkswuth zur Abreise nach Metz bestimmen wollten. Bezahlte Menschen umlagerten die Bäckerläden und trugen das gekaufte Brot in die Seine. Die Volksmänner hatten den Plan, den König und die Natio- nalversammlung nach Paris zu dem Heerd des stets fertigen Auf. ruhrß, zu verpflanzen. Dem Hofe gingen Warnungen zu, und Ludwig wünschte deshalb seine schwache Leibwache durch ein zuverlässiges Regi- ment zu verstärken und die versailler Nationalgarde zu gewin.nen. Das Regiment Flandern wurde nach Versailles gezogen. Die Köm- gin schenkte der Nationalgarde Fahnen, und dem Regiment Flandern veranstalteten die Leibwächter am 1. Oktober im Opernsaale des Schlosses ein Gastmahl, zu welchem auch die Officiere der Natio- nalgarde eingeladen wurden. Als schon die Köpfe vom Weine erhitzt waren, erschienen der König und die Königin, den Dauphin an der Hand, und wurden mit Jubel empfangen. In den Halbberauschten er- wachten die Gefühle des Mitleids und der Anhänglichkeit, und das Gast- mahl ging nach Entfernung des Hofes in ein wildes Gelag mit den gewöhnlichen Heczensergießungen der Trunkenheit über. Durch die übertriebene Darstellung dieser Auftritte, besonders durch die Angabe, daß die Nationalkokarde mit Füßen getreten worden sei, wurden die Bürger zum Unwillen gereizt, während der Pöbel zuerst durch gesteigerte Hungersnoth in Wuth gesetzt, dann durch Geldausthei- lung zu allen Freveln bereitwillig gemacht ward. Buhldirnen, Fisch- weiber und Höckerinnen wurden gedungen, um den Vortrab der nach Versailles bestimmten Massen zu bilden. Die Anstifter wußten, daß man gegen Weiber nicht leicht Gewalt brauchen werde, und verkleide- ten sich selbst als Weiber. Sonntag, am 4. Oktober, traten im
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