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1. Geschichte der neueren und neuesten Zeit - S. 678

1858 - Weimar : Böhlau
678 übertragen. Wie früher der Mittelstand über Privilegirte und die Re- gierung den Sieg davon getragen hatte, so war nun die Herrschaft über den Mittelstand an den Pöbel gekommen. Alle Gewalt besaß nun der Gemeinderath von Paris und die Nationalversammlung, Auf das Gesimse der Loge sich stützend, hörte Ludwig, ohne eine Miene zu verändern, den Verhandlungen zu. Neben ihm saß die Köni- gin, den Dauphin auf dem Schooße. Bei furchtbarer Hitze und gänz- lichem Mangel einer Erfrischung in ein kleines Gemach eingeschlossen, mußte die königliche Familie die gegen sie ausgestoßenen Vorwürfe, Schmähungen und Drohungen anhören. „Alles heute vergossene Blut, alles Elend des Landes verdanken wir dem Meineid und der Treulosig- keir jenes Verräthers," sagte der ehemalige Kapuziner Ch ab o t und wies dabei auf den König. Nach sechzehn qualvollen Stunden wurde die kö- nigliche Familie in ein kleines, an den Saal der Versammlung ansto- ßendes Zimmer zur Nachtruhe geführt, aber am folgenden Morgen um neun Uhr wieder in ihr enges Gefängniß gebracht. So blieb es drei Lage. Am 13. August Nachmittags wurde der König und seine Familie in zwei Wagen nach dem Tempelthurm geschafft, der vor einem hal- den Jahrtausend den Templern zum Gefängnisse gedient hatte. Zuerst hatte die Nationalversammlung beschlossen, daß dem Könige der Palast Luxemburg und 500,000 Franken angewiesen werden sollten; aber der Gemeinderath, welcher jetzt alle Gewalt besaß, hatte gegen diesen sowie gegen einen zweiten Beschluß Einspruch erhoben, daß der König einst- weilen den Palast des Justizministers bewohnen solle. Die Nationalversammlung ließ eine weitläufige Rechtfectigungs- schrift des blutigen Tages und des Verfahrens gegen den König auf- setzen und diese durch Commissarien in die Departements und zu den Armeen bringen. Frankreich hatte damals vier Armeen. Der Befehls- haber der einen derselben, der Ardennenarmee, war La Fayette, und dessen Hauptquartier Sedan. Als La Fayette Kunde von den Vorfällen in Paris erhielt, versammelte er die Verwaltungsbehörde des Ardennen- departements und befahl ihr, die Commissarien der Nationalversammlung, die kein gesetzliches Dasein mehr habe, verhaften zu lassen. Auch erließ er einen Tagesbefehl an seine Armee, der mit der Frage schloß, ob sie den rechtmäßigen König in seine Rechte einsetzen oder Petion zum Kö- nige haben wolle. Der erste Eindruck schien den Absichten La Fayette's zu entsprechen. Auch der Oberbefehlshaber der flandrischen Armee, Ar- thur Dillon. hatte einen ähnlichen Tagesbefehl erlassen. Hätte sich La Fayette auf der Stelle in Marsch gesetzt, vielleicht wäre es ihm ge- lungen, die Nationalversammlung und den König von ihren Tyrannen zu befreien. Aber schon am folgenden Tage weigerten sich die Solda- ten. den Eid der Treue für die Nation, das Gesetz und den König zu erneuern, und bezeigten ihre Unzufriedenheit mit der Verhaftung der Commissarien. Auch wurde es bekannt, daß der General-Lieutenant Dumouriez sich gegen Dillon erklärt und dessen Armee unter sein Commando gezogen habe. La Fayette's Lage wurde so mißlich, daß er bedacht sein mußte, sich und seine Freunde zu retten. Mit einem Theile seines Generalstabes ging er in der Nacht zum 19. August über die nie- derländische Grenze, um sich durch Holland nach England und von da nach Amerika zu begeben. Er wurde von den Oestreichern angehalten
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