1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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die Bibliothek zu verbrennen, weit doch die Geschichte der ganzen Welt
nichts aufzuweisen habe, was mit der französischen Revolution verglichen
werden könne. Ein Decret befahl die Oeffnung und Zerstörung der Kö-
nigsgräber in der Abtei St. Denys; die Leichname der Könige wurden
aus ihren Grüften geriffen und in große Gruben geworfen. Die religio«
sen und sittlichen Elemente des Lebens waren vernichtet und nur die
rein bürgerlichen sollten noch gelten; aber auch diese hatten ohne jene
keinen Halt mehr. Der folgerechten Gleichheitslehre mußte daß Eigen-
thum ebenso wie Adel und Königthum als eine naturwidrige Rechtsver-
letzung erscheinen. In diesem Sinne hieß es; „Wir wollen keinen Han-
del mehr! Handel erzeugt Wohlstand; Wohlstand erzeugt Verderbniß der
Sitten und dieses den Verfall der Republiken."
Das Aergerniß, welches die Verruchtheit und Himmelsstürmerei der Sturz^Dan-
Cordeliers oder der Anhänger Danton's hervorriefen, gab dem tücki- ncr Anhänger,
schen Robespierre einen erwünschten Vorwand, sich auch Dieser Men-
schen und ihres Hauptes zu entledigen. In Danton, welcher die Ma-
schinerie des Blutregiments in Gang gebracht hatte, war das Gefühl
der Menschlichkeit erwacht und der Wunsch rege geworden, dem Mord-
messer Einhalt zu thun. Er hatte seine Kraft durch schwelgerischen Ge-
brauch der Millionen erschöpft, welche ihm als Minister und als Armee-
kommissär zugeflossen waren. Er war aus dem Wohlfahrs - Ausschuß
verdrängt worden und hatte dann auch durch einen mehrmonatlichen
ländlichen Aufenthalt seine Macht über den Convent und die pariser
Commune verloren. Endlich erhob er seine Stimme gegen die Ueber-
spannung der revolutionären Springfedern und gegen die knechtische Hin-
gabe aller Gewall in die Hände des Wohlsahrts - Ausschusses. Auch
Danton's Freund Camille Desmoulins war durch seine Heirath mit
einer schönen und rei -Yen Frau milde gestimmt und durch die täglichen
im Namen der Freiheit verübten Schändlichkeiten zur Besinnung ge-
bracht worden. In seiner Zeitschrift „der alte Cordelier" bekämpfte er
die Tyrannei und das Schreckenssystem, sprach von einer menschlichen
Benutzung der Revolution und empfahl einige Mäßigung.
Der Unwille von Robeßpierre war zunächst gegen die von Hebert,
Chaumette und Anacharsis Cloots geführte Bande rasender
Gleichmacher, Kirchenstürmer und Vernunftanbeter gerichtet, deren wildes
Treiben ihm vornehmlich darum mißfiel, weil sie die pariser Commune
beherrschten und die Macht dieser den Wohlfahrts-Ausschuß verdunkeln-
den Commune ihm Eifersucht einflößte. Es kränkte den mit tugendhaf-
ten Gesinnungen prunkenden Dictator, daß diese schlechten Gesellen es
sich einfallen ließen, seine auf den Pöbel gegründete Herrschaft theilen
zu wollen. In dem Jakobinerklub erklärte sich Robespierre für einen
Gegner des Atheismus, den ec eine aristokratische Sache nannte. Seine
heimtückische Heuchelei hatte den gewünschten Erfolg. Alle Freunde der
Ordnung schlossen sich an ihn an, weil sie die Blasphemien, Schwelge-
reien und Gaunereien der Dantonisten für ein größeres Uebel hielten,
als die Tyrannei des Wohlfahrts-Ausschusses. Nun wurden Gerüchte
von einer angeblichen Verschwörung in Umlauf gebracht, daß die Cor-
delierß Geld vom Auslande erhalten hätten, und zur Herstellung des
Despotismus damit umgingen, den Convent und alle eifrigen Vertheidiger