1858 -
Weimar
: Böhlau
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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dann gegen den Urheber der zu Bayonne verübten Schändlichkeit. Aehn-
liche Gesinnungen hegte der H a nde ls sta n d. Er berechnete die Ver-
luste, welche er in Folge ves Bündniffes zwischen Spanien und Frank-
reich und der durch dasselbe herbeigeführten Handelssperre erlitten hatte.
Die Priester besaßen in Spanien noch ihren alten Einfluß, sie waren
die entschiedensten Gegner der Umgestaltung, welche sie von Napoleon
und dem neufranzösischen Staatsgeiste für Spanien befürchteten.
Als Murat den in Madrid zurückgebliebenen Jnfanten Antonio
und Francisco befahl, am 2. Mai abzureisen, suchte der zahlreich ver-
sammelte Pöbel die Abfahrt zu verhindern. Die Franzosen schoflen so-
gleich auf das Volk, das sich hierauf wüthend auf sie stürzte; aber das
Geschütz entschied den Tag zum Nachtheil der Spanier. Gegen Abend
ließ Murat noch gegen hundert Menschen geringen Standes erschießen,
bei welchen man die unter Handwerkern und Tagelöhnern üblichen groß-
ßen Taschenmesser gefunden hatte. Zwei Tage darauf wurde Murat als
Stellvertreter Karls Iv. verkündet und trat an die Spitze des Regie-
rungsausschufles (Junta), den Ferdinand bei seiner Abreise eingesetzt
hatte. Napoleon berief 150 angesehene Spanier nach Bayonne, um
die neue Ordnung der Dinge berathen zu helfen; aber nicht alle Gern-
sene kamen.
Am 6. Juni ernannte Napoleon den König Joseph von Nea-
pel zum Könige von Spanien und bald nachher Murat, den bisheri-
gen Großherzog von Berg, zum Könige von Neapel. Am 20. Juli
hielt Joseph Napoleon I. seinen prunkvollen Einzug in Madrid, und
fünf Tage später wurde er feierlich zum Könige von Kastilien ausgecu-
fen, Der vornehmste Adel und die aufgeklärtesten Männer Spaniens
umgaben ihn, und die zu Bayonne berathene Verfassung war auf ganz
verständigen allgemeinen Grundsätzen erbaut. Aber das spanische Volk
ward nicht für die neue Ordnung gewonnen; es erhob sich in den Pro-
vinzen zum Widerstände gegen den aufgedrungenen Herrscher. Die Be-
Hörden, welche Einhalt geboten, wurden versagt; eine in Cadix liegende
französische Flotte wurde gezwungen, sich an die Volksbehörde zu erge-
den; in Aragonien stellte sich der General-Capitän Palafox selbst an
die Spitze des Volkes. In jeder Provinz bildete sich durch Wahl des
Volkes eine Junta, und die Junta von Sevilla suchte an die Spitze
der ganzen Bewegung zu treten. Sie forderte alle Spanier zur Verthei-
digung der Rechte Ferdinands Vii. auf, erklärte dem Kaiser Napoleon
den Krieg, schloß Stillstand mit England und unterhandelte mit diesem
wegen eines Friedens und Bündnisses. Sie forderte in einem Manifeste
alle Völker Europa's auf, die französischen Ketten zu brechen, und erließ
eine Anweisung, wie der Krieg gegen Frankreich in Spanien zu führen sei,
nicht mit regelmäßigen Schlachten, sondern als kleiner Krieg durch einzelne
Haufen, durch Aufreibung der feindlichen Heere. Alle unterrichteten
Personen wurden aufgefordert, kurze Reden auszuarbeiten, sie drucken
und verbreiten zu lassen, um den Eifer der Nation anzuregen. Der an-
gegebene Kriegsplan wurde aber nicht durchgängig befolgt. Die Junta
von Sevilla wurde nicht allgemein anerkannt; jede Junta ordnete die
Regierung ihrer Provinz und bildete sich auch eine besondere Armee.
Als die Franzosen anfangs überall vie ungeübten Schaaren auseinander
sprengten, bildete sich Napoleon ein, daß er des Widerstandes leicht