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1827 -
Heidelberg
: Engelmann
- Autor: Schoppe, Amalia, Edgeworth, Maria
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
201
Freunde/ die Dich mit ihrer Erfahrung unterstützen könn-
ten. Hier ist Laura/ z. B./ da sie immer die Wahrheit
spricht/ so kannst Du glauben/ was sie sagt; kannst Du
das nicht?" —
«O ja/ gewiß!»
..Ich zog ihr gestern einen Dorn aus dem Finger.'
«That e§ sehr weh/ Laura?» fragte Nosamunde.
«Gehr wenig/» sagte Laura; »der Schmer; war nicht
größer/ als ein Nadelstich.»
«Einen Nadelstich könnte ich wohl aushalten/» sagte
Rosamunde/ ihre Hand hinhaltend; «aber ich glaube/
Mutter/ der Dorn ist schon fort/ ich fühle ihn kaum mehr.»
«Wenn er fort ist/ meinkind/ so will ich mich freuen/»
erwiederte ihre Mutter/ «denn dann ist kein Grund vor-
handen/ daß Du einen Nadelstich um nichts aushalten
solltest. Ich rieth Dir nur/ von zwey Uebeln das kleinste
zu wählen. — Aber warum hältst Du Deinen kleinen Fin-
ger höher als alle übrigen?» fuhr ihre Mutter fort/ als
sie bemerkte/ daß Rosamunde/ als sie ihr Nähkästchen ein-
steckte/ diesen kleinen Finger nicht mit seinen Gefährten
zusammenbog.
«Weißt Du nicht/ Mutter/» sagte Rosamunde, «daß
dies der Finger ist/ in welchem der Dorn sitzt?»
«O dann ist der Dorn also noch darin!» rief ihre Mut-
ter; ..ich glaubte eben/ er wäre schon fort. — Mmi ich
glauben/ daß er beydes zu gleicher Zeit/ darin und nicht
darin ist?»
«Nein/Mutter/»antwortetenofamundelachend; «aber
bevor ich meinen Finger zu biegen suchte/ fühlte ich den
Dorn nicht; ich fühlte nicht den geringsten Schmerz / als
jch ihn still und ganz ausgestreckt hielt/ so Mutter.» —
«Und ist es Deine Absicht/ Rosamunde / Deinen Fin-
ger während Deines ganzen übrigen Lebens ganz still und
ganz ausgestreckt zu halten?»