1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Bilder aus Europa. — Rußland.
weise ins Wasser und retten sich flüchtigen Fußes. Aber auch viel nützliches
Geflügel verbrennt sich dabei das Gefieder: Enten, die ihre Eier nicht ver-
lassen wollen und aus ihrer Brut das Leben verhauchen, Reiher und Trappen,
die dumm um das Feuer kreisen und wohl gar mitten in die Flamme
hineinschießen.
Trotz aller Verbote und Bestrafungen wiederholen sich diese Schilf-
brände des Dnjestr und Dnjepr alljährlich so pünktlich, wie der Frühling
und das Ergrünen der Bäume. Nach I. G. Kohl.
13. Die Heuschrecken in der südrussischen Steppe.
Von allen Insekten der südrussischen Steppe erscheint keines in so
ungeheuern Massen, und keines tritt deshalb und wegen seiner ungemein
großen Freßgier mit dem Menschen in so gefährliche Berührung, wie die
Heuschrecke.
Die Heuschrecken sind keineswegs eine alljährliche Plage der süd-
russischen Steppen. Es giebt Jahre, wo sie ganz ausbleiben oder wenigstens
sich nicht zu jenen verheerenden Wanderungen zusammenfinden. Ja, es
giebt sogar ganze Perioden von Jahren, in oenen sie nicht erscheinen und
dann eben solche Perioden, in denen sie jedes Jahr in größeren oder geringeren
Massen zum Vorschein kommen.
Wenn jemand in einer deutschen Kolonie, auf deren Gebiete oder
in ihrer Nachbarschaft ein nahendes Heuschreckenheer entdeckt, so ist er ver-
bunden, dies so schnell als
möglich dem Schulzen der
Kolonie anzuzeigen. Dieser
entbietet alsdann flugs die
;anze Gemeinde, und als-
)ald bewaffnet sich alles
mit Glocken, Kesseln, Flin-
ten, Pistolen, Peitschen,
Wanderheuschrecke. Trommeln Und andern
Dingen, die knallen und schallen, und vor deren starken Tönen die Heu-
schrecken fliehen. — Als die Kaiserin von Rußland 1828 auf dem Land-
gute des Herrn Raynaud am schwarzen Meere bei Odessa wohnte, wurden
die Heuschrecken mit Trommeln aus den Gärten verscheucht. — Wenn die
Heuschrecken schon niedergefallen und nicht gar zu matt sind, so werden sie
von den Tönen aufgescheucht; wenn sie aber noch fliegen, vom Niederlassen
abgehalten und zum Höherfliegen gezwungen. Außer diesen klangreichen
Dingen schleppen die Leute auch Stroh und alles, was brennend einen
starken Rauch macht, mit sich. Denn den Rauch vertragen die Heuschrecken
noch weniger als den Lärm; insbesondere fliehen sie den von Weinreben-
zweigen. So ausgerüstet rücken die Kolonisten ins Feld und ergreifen nun
verschiedene Maßregeln, je nach der verschiedenen Lage und Stellung, in
welcher sie den Schwarm finden. Hat er sich bereits auf dem Gebiete
der Nachbarn niedergelassen und schreitet er nun beständig grasend gegen
das Gebiet, das sie schützen wollen, vor, so machen sie schnell an den Grenzen
herum kleine Feuer, die von besonderer Wirkung sind, wenn der Wind den
Heuschrecken Rauch entgegenführt. Es gelingt ihnen dadurch oft, den be-
treffenden Wanderern eine andere Richtung zu geben, oder sie wenigstens
zum Halten zu bringen. Können sie aber nicht schnell und scharf genug
feuern, oder ist der Heuschreckenschwarm zu mächtig — sie liegen oft bis
10 Centimeter hoch — so geschieht es wohl, daß, wenn auch die vordersten
halten, doch die hinteren nachflattern, zu Tausenden ins Feuer fallen, das