1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Bilder aus Europa. — Skandinavien und Dänemark.
19. Die lange Nacht in Hammerfest.
In Hammerfest ist die lange Nacht die Zeit der Ruhe für alles Handels-
leben., und man möchte sagen: Am Polarkreise setzt die Natur dadurch dem
ruhelosen Menschengeschlechte einen Markstein seiner Thätigkeit. Das
Wasser ist öde, die Fische haben Frieden, der schmutzige Seelappe und der
nordische Fischer liegen in Erdhütten am qualmigen Feuer und warten dort
im trägen Winterschlafe, bis der neue Tag erscheint. Die Kaufleute in
Hammerfest bringen ihre Bücher in Ordnung und dann sitzen sie wohl am
Kartentische Tag und Nacht, halten Bälle und Schmausereien, spielen sogar
Komödie und sehnen sich endlich unruhig nach der Zeit, wo der Lichtstreif
im Osten hervorbricht. In Hammerfest wohnt außer den Kaufleuten kein
anderer Häildeter Mensch als ein Pastor und ein Arzt.
Wie wir es uns aber wohl vorstellen, ist die Zeit der langen Nacht
nicht. Die Sonne geht freilich acht Wochen unter den Horizont, und
vier Wochen lang, von Mitte December bis Mitte Januar, ist tiefe Finster-
niß, so daß beständig Licht gebrannt werden muß. Indeß ist sie doch nicht
so schwarz, daß nicht bei hellem Wetter zur Zeit der Mittagsstunde eine
Art Dämmerung einträte, bei der man am Fenster eine halbe Stunde oder
eine ganze lesen könnte. Die Sterne stehen dabei glänzend hell am Himmel;
Nordlichte sind auch liier nicht so selten als mehr südlich. Ist aber trübes
Wetter, so herrscht oie finsterste, ununterbrochene Nacht. Mitte Januar
wird die Dämmerung leichter, und ist der Tag erst einmal angebrochen, so
wächst er auch rasch. Nun gleicht dre Natur den Unterschied aus, und im
Juni und Juli beschreibt die Sonne Kreise um den Himmel, ohne sich
jemals vom Horizonte zu entfernen. Der ganze Unterschied zwischen Mittag
und Mitternacht ist dann, daß die Strahlen etwas bleicher und matter
werden, ohne daß sie aufhören, die belebende Wärme zu verlieren. Es ist
sehr eigenthümlich, daß, so lange diese tageshelle und sonnenvolle Nacht
dauert/ der Wind ganz schweigt und eine, durch nichts gestörte Ruhe in
dcr Natur herrscht, als wolle diese dadurch die Zeit des Schlafes an-
kündigen. Mit dem Morgen erhebt sich der Wind wieder, und die Wetter
werden losgelassen von den Nebelgeistern und abends eingesangen; die
Sonne der Nacht scheint aber oft so heiß, daß sie lästig werden kann. Ein
Bekannter erzählte mir, daß, als er in Hammerfest sich aus einem Balle
besand und gerade um Mitternacht an den Bord des Schiffes zurückfuhr,
die Sonne so mächtig war, daß er den Rock auszog. Das Thermometer
zeigte 18 Grad. Dieser anhaltende Tag und Sonnenschein macht es wohl
allein möglich, daß noch Ernten gedeihen.
Wie seltsam ist aber der Mensch! Reiche Handelsherren bringen ihr
ganzes Leben unter diesem fürchterlichen Kluna zu, von denen manche,
wenn sie wollten, im schönen Süden leben könnten. Wer hierher kommt,
sagte mir einer, thut es natürlich des Gewinnes wegen. Aber wer hier
geboren ist, der liebt diese Einöden ebenso sehnsüchtig, wie der Lappe seine
Rennthieralgen oder der Grönländer seine Eisbuchten. Th. Mügge.
20. Stockholm.
Stockholm liegt am Ausflusse des Mälarsees. Die Stadt breitet sich
auf zwei Halbinseln und mehreren größeren und kleineren Inseln aus.
Dreizehn Brücken verbinden die einzelnen Gewässer. Berge und Thäler,
Felsen, Canäle, Baumgruppen und Terrassen wechseln mannichfach ab, und
ein geräumiger Hafen nimmt den Mastenwald von Schiffen aus.