1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Bilder ans Europa. — Italien.
einen raschen Abzug finden könnte; denn auch das Meer treibt Dünen
(Tomboli) auf, hinter denen der Sumpf sich erhält. In der Vermischung
des See- und Flußwafsers aber gedeihen gewisse Pflanzen, welche, wenn
sie in den heißen Monaten verfaulen, einen Gestank verbreiten, der fast
allem thierischen Leben feind ist, wie man versichert, daß dieser Hauch
Metalle anlaufen mache. Als besonders schädlich bezeichnet man unter diesen
Pflanzen eine Chara-Art, die dort vorzugsweise häufig wächst. Nächstdem
sollen die todten Fische, die der Ombrone, wenn Regengüsse sein Wasser
besonders getrübt, mit sich führt, und die im seichten stehenden Wasser ver-
faulen, die Luft vervesten. Mit einem Worte, das stehende Wasser ist ein
wesentlicher Grund, oaß diese ehedem blühende, von einer römischen Straße
durchzogene, mit großen Städten besetzt gewesene Gegend seit mehreren
Jahrhunderten eine Wüste geworden, welche die wenigen Bewohner vom
Monat Juni an fliehen müssen, wenn sie nicht noch früher, als es ohnehin
geschieht, dieser giftigen Atmosphäre erliegen wollen.
40. Der Vesuv.
Der Vesuv erhebt sich auf dem Ostgestade des Busens von Neapel
aus der Ebene, abgesondert und ohne unmittelbaren Zusammenhang mit
den nächsten Bergen. Er ist gleichsam die Krone der ganzen Landschaft,
und so prachtvoll sein Anblick ist, so prachtvoll ist der Ausblick seiner Höhe.
Ern mehrstündiger Weg führt anfangs durch die üppigsten Pflanzungen
von Wein, Feigen und Aprikosen, später durch ein schrecklich ödes, braun-
rothes Lavagefild bis zum steilen Kegel des Berges. Auch diesen hinauf
geht es anfangs ziemlich gut; es sind noch große, fest liegende Steine da,
aus welche man beim Steigen treten kann; sobald man aber höher kommt,
wird der Weg durch das Geröll und Gebröckel kleiner verbrannter Steine
und durch die rothbraune Erdasche außerordentlich beschwerlich. Bei jedem
Schritte aufwärts sinkt man wiederum einen halben Schritt zurück. Natürlich
muß man oft anhalten und ausruhen, damit die Kräfte sich sammeln. Hier
und da ist der Boden heiß, und ein weißer Rauch qualmt manchmal unter
den Steinen hervor. Nach einer halben Stunde ist die beschwerliche Be-
steigung des Kegels vollendet, wir stehen glrücklich oben am Rande de
Kraters.
Der Krater des Vesuvs ist ein ungeheurer rundlicher Kessel, dessen
Rand umher 10—15 Meter hoch ist und aus verbranntem Gestein und
Asche besteht. Natürlich ist dieser Rand an einer Stelle höher als an der
anderen. Um den ganzen Krater kann man mit großer Vorsicht auf dem
schmalen Rande, der ihn umgiebt, herumgehen, wozu etwa eine Stunde
erforderlich ist. Daß sich seine Gestalt der heftigen Ausbrüchen immer
verändert, ist bekannt.
In der Mitte des ungeheuern Kessels ist der eigentliche Feuerschlund.
Man sieht da einen kleinen Kegel, der 8—10 Meter hoch zu sein scheint
und durch das Gestein und die Asche, die der Vulkan immer auswirft, ge-
bildet ist. Auf dem Gipfel dieses Kegels ist eine Oeffnung, die in das
Innere des ewig brennenden Höllenrachens hinabgeht, aus welcher ein weißer
schwefelgelblich schimmernder, dichter Dampf aufwallt; einige kleinere Oeff-
nungen sind daneben. Am Fuße dieses kleinen Kraters bemerkt man an
verschiedenen Stellen, deren Zahl sich vermehrt, sobald es dunkel wird, das
Feuer der Erde. Wie düsterrothe Kohlenglut sieht man hier das Gestein
des Berges brennen; zwischen dem Feuer hin ziehen sich Lagen der schwarzen,
mit gelbem Schwefel überzogenen Erde. Die innere Wand des Kraters
ist steil und gewährt dem Auge eine gar wilde schauerlich öde Ansicht.