1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Bilder aus Europa. — Oesterreich.
den Aufseher abzuliefern. Bei einigem Fleiße sind ungefähr 96 Gran in
einigen Tagen zu gewinnen.
Die niedrigste Klaffe bilden die Wanderzigeuner. Sie zahlen keine
Steuern, und werden von der Verwaltung ebensowenig gezählt, als das
Ungeziefer in einem Haufe. Ein paar Schweine, ein struppiger Hund, eine
dürre Mähre, welche das Zelt trügt oder den Karren zieht, — das ist der
ganze Hausrath dieser Nomaden. Sie schnitzen hölzerne Löffel und leben
nebenher auf freie Faust. Schon zur Zeit Kaiser Joseph Ii. versuchte man
es, sie zu colonisiren, aber vergeblich. Der Hang zum Umherschweifen war
stärker, als alle Lockungen eines behaglichen Lebens. Doch leben nicht alle
Zigeuner in gleichem Elende; manche haben sich der Landwirthschaft ergeben
und sind im Betriebe derselben glücklich, wre denn dieses Volk zu allem,
was es angreift, ein besonderes Geschick zeigt. Ja es giebt eine gewisse
Aristokratie unter ihnen, und nicht wenige, welche in Städten, namentlich in
Hermannstadt und Klausenburg wohnen, sind wirklich wohlhabend zu nennen.
Obgleich, wie alle Zigeuner, in den Städten nicht gelitten, verträgt ihr
Stolz nicht, zwischen den Zelten ihrer erbärmlichen Stammesgenossen sich
Häuser zu bauen, sondern sie wählen das andere Ende der Stadt. Dort
stehen ihre Wohnungen an der Stadtmauer und zeichnen sich nicht selten
durch Reinlichkeit aus. Sie tragen die schöne Husarentracht mit goldenen
Tressen und klirrenden Sporen. Ihr Haupterwerbszweig ist die Musik.
Wer auf einem Instrumente tüchtig ist, wird in eine Musikbande auf-
genommen, und so durchziehen sie das Land und kehren oft mit ansehnlichem
Gewinn nach Hause zurück. Die Zigeuner sind geborne Musiker. Schon
die kleinen Kinder greifen die Geige mit dem größten Geschick an und sind
in Kurzem so weit, ihren Vätern zu secundiren. Wie der Zigeuner die
Musik leidenschaftlich liebt, so hat er auch das feinste Gehör für sie, was
ihn bei Erlernung eines Instrumentes außerordentlich begünstigt. Doch
besaßt er sich selten mit Noten, sondern zufrieden, eine Melodie gehört zu
haben, faßt er sie sogleich vollkommen auf und behält sie mit erstaunlicher
Treue. Diese Eigenschaft hat die Zigeuner bei allen Festen in Uirgarn und
Siebenbürgen unentbehrlich gemacht; denn sie sind eigentlich die Bewahrer
der Nationalmelodie, die sie mit wundervoller Präcision in vollem Orchester
wiederzugeben wissen. E. A. Quitzmann.
deutsches Reich.
77. Deutschland.
Deutschland gehört zu den schönsten Ländern, welche die Sonne in
ihrem ewigen Laufe begrüßt. Unter einem gemäßigten Himmel, unbekannt
mit der sengenden Luft des Südens, wie mit der Erstarrung nördlicher
Gegenden, die größte Abwechselung, die reichste Mannichfaltigkeit dar-
bietend, bringt Deutschland alles hervor, was der Mensch bedarf zur Er-
haltung und zur Förderung des Geistes, ohne ihn zu verweichlichen, zu
verhärten, zu verderben. Der Boden rst fähig zu jeglichem Anbaue. Auf
Gebirgen dehnen sich die herrlichsten Weiden aus. Neben Moor und Harde,
nur von der Binse und Brombeerstaude belebt und menschlichem Fleiße
nichts gewährend, als die magere Frucht des Buchweizens oder Hafers,