1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Der Bodensee. — Der Rheinfall.
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wenn das Becken des Bodensees leer wäre, der Rhein über 2 Jahre brauchen
würde, um es wieder zu füllen. Auf dieser gewaltigen Wasserfläche giebt
es denn auch Stürme, welche denen auf dem Meer gleichen und wober sich
haushohe Wellen erheben. Da diese oft plötzlich hervorbrechen, so güt die
Schiffahrt auf dem See für gefährlich. Doch seit die Dampfschiffe ein-
geführt sind, haben Reisende sich nicht mehr zu fürchten; jene Schiffe wider-
stehen dem heftigsten Stunn. Die Fischer aber, welche in leichten Kähnen
das Gewässer befahren, erkennen meistens an vorausgehenden Zeichen die
Gefahr und flüchten in einen Hafen. Fische halten sich zahlreich und gern
in dem klaren Gewässer auf, welches noch den Vortheil gewährt, daß es
fast niemals zufriert. Außer vielen andern Arten, zum Theil von beträcht-
licher Größe, fängt man jährlich eine ungeheure Menge sogenannter Blau-
fellchen, welche für eine Leckerei gelten. Natürlich ziehen sich nach einer
solchen Nahrungsquelle auch viele fischfressende Vögel, Reiher, Strandläufer,
fogar Möven und Taucher. Die Ufer des Sees sind sanft aufsteigend und
herrlich mit Feldfrüchten, Obst und Wein angebaut. Die höheren Berge
in der Schweiz erblickt man nur in der Ferne. Besonders lreblich nehmen
sich aber die zwei kleinen Inseln aus, welche in den Erweiterungen des
Sees gegen den Ausfluß des Rheins hin liefen, dort wo die alte Stadt
Constanz hervorragt. Wie schön es an dem See sein muß, sieht man auch
daran, oaß fünf verschiedene Staaten sich ein Stück seines Ufers angeeignet
haben: im Süden die Schweiz, westlich Baden, nördlich Württemberg und
Baiern, östlich Oesterreich, welches mit seinem tyroler Lande daran stößt.
Curlmann.
97. Der Rheinfall.
Ein Spaziergang von einer halben Stunde führt den Wanderer von
Schaffhausen auf der rechten Seite des Flusses dem alten Bergschlosse
Laufen gegenüber zu jenem Becken hin, in welches sich der auf 90 Meter
eingeengte Strom über eine Felsenmauer von 25 Meter Höhe, durch zwei
mitten aus den Strudeln hervorragende Klippen ungleich in drei Theile
zerspalten, siedend und dampfend hinabstürzt.
In unserm Erdtheil ist nichts, was einen höheren Begriff von der
Kraft der Natur und der Allmacht ihres Schöpfers geben könnte, als der
Anblick dieses ungeheuern Gewölbes von Schaumwogen, dieser donnernden
Flutmasse, welche kochend, zischend, Wolken von Schaum dem Himmel zu-
spritzend, in den Abgrund dahinrollt. Der Mensch steht klein, im Gefühl
feiner Ohnmacht davor. Keiner kann, ohne im Innersten erschüttert zu
werden, den tobenden Aufruhr der losgebundenen Kräfte betrachten. Selbst
der schlaffste Geist wird des Wassergetümmels nicht satt werden; hundertmal
kann man's sehen, und eben so viel Mal wird der erste Eindruck neu und
ungeschwächt wiederkehren. Dem Schauenden ist's, als ob er in Gottes
heiliger Werkstatt sich befände; er fühlt sich selbst nicht mehr; seine ganze
Seele ist nur Auge und Ohr. Den majestätischen Strom, aufgelöst zu
tausend Quellen, die Quellen zu Milliarden Wasserstäubchen, sieht er aus
dem Abgrund in Dampf und Rauch sich aufträufeln und sich drehen, wie
ein Wirbelwind das dürre Laub; der feste Boden unter seinen Füßen
zittert, und die das Getümmel der Gewässer umschauenden Felsen schütteln
rhre schwarzen Häupter, gleichsam als entsetzten sie sich der Wuth des er-
zürnten Elements. Das Erdbeben, das Donnerbraufen des Wassersturmes
über ihm, um ihn und unter ihm durchfährt seine Seele wie der Cherubim
und: Heilig! heilig! heilig! brüllt's und bebt's ihm durch Mark und Gebein.