1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Der Schwarzwald und die Schwarzwälder.
Alle Thäler und Gipfel an der Westseite haben eine so wilde Natur, sanfter
ist die nach dem Stufenlande Schwabens, dem Neckarlande gerichtete Seite.
Ein scharfer Kamm wie auf dem thüringer Walde fehlt dem Schwarzwalde,
dagegen treten breite Bergrücken auf, und gleich unter dem Feldberge liegt
eine 1000 Meter hohe rauhe Hochfläche, über welche die Straße aus dem
Höllenthale nach Lenzkirch sich hinwindet. Außer den hohen Gipfeln des
oberen Gebirges ist auf dem unteren Schwarzwalde der 831 Meter hohe
breite Rücken'des Roßbühl mit dem Paffe des Kniebis zu merken mit
mehreren Hochseen, mit den Quellen von vier Flüssen (Rench, Murg), mit
einem wichtigen Straßenknoten (von Kehl nach Freudenstadt) und der weiten
Aussicht über die Rheinebene, den Schwarzwald, Schwaben und die Alpen
bis zu den tyroler Bergen.
Die Vorberge des Schwarzwaldes in der Rheinebene prangen mit
Laubwäldern, Obsthainen und Weinbergen. Ueber ihnen im Gebirge ist
dunkler Tannenwald, in den Thälern Laubwälder und üppige Wiesen, hoch
oben aber werden Gipfel und Hochflächen kahl oder geben nur kümmerliche
Hafer- und Kartoffelernten. Will man eine unwirthbare Gegend bezeichnen,
so sagt man z. B. wohl „wie auf dem Dobel im Schwarzwalde'". Der
Waldreichthum hat ehemals, ehe noch Amerika und Asien festeres Schiffs-
bauholz lieferten, dem Gebirge große Wichtigkeit verliehen. Viele Tausende
der stärksten Tannenstämme sind hier von den Holländern gekauft, den
Rhein hinunter geflößt und zu den Kriegs- und Handelsflotten verarbeitet
worden, und das ganze Gebirge ist jetzt noch reich an wunderbaren Sagen
aus dieser Zeit. Besonders um die Bergseen herum spukt noch heute viel
Aberglaube von Kobolden, Nixen und Berggeistern. Aber die Bewohner
des Schwarzwaldes sind ein gutmüthiges, frohes, fleißiges und kunstsinniges
Volk mit ernstem Wesen. Der Gewerbsleiß des Gebirges ist außerordentlich
groß, und der Wald liefert noch heute den meisten Stoff desselben. Noch
manche „Holländertanne" schwimmt den Rhein hinab, um der Mastbaum
eines großen Schiffes zu werden. Hölzerne Geräthe aller Art wandern in
die Nachbarländer, und die Schwarzwälder Uhren haben ihren Weg durch
ganz Europa, bis China, nach Afrrka und nach Amerika gefunden. Das
ist hier ein eigenthümlicher Gewerbszweig. Von der einfachsten Wanduhr,
welche fast ganz aus Holz gefertigt ist ^ und in Norddeutschland noch für
3 Mark gekauft wird, bis zu den künstlichsten Spieluhren mit Kukuk und
Orgelwerk, welche in Indien und China, auch schon in Moskau und Spanien
mit 300 und 3000 Mark bezahlt werden, gehen Kisten aus Kisten voll aus
den stillen Bergdörfern in alle Lande. Still sind aber nur die sinnigen,
künstlerischen Meister und ihre Arbeiter, sonst hämmert, pocht, hackt, bohrt,
klappert und sägt es lustig Tag und Nacht in den Thälern entlang. Hier
werden die Zifferblätter aller Größen geschnitzt, lackirt und bemalt, dort
nur Zeiger gegossen und gefeilt, dort die Gewichte, dort die Ketten dazu
bereitet, dort die Räderwerke gefertigt; endlich setzt der Meister die Uhr
zusammen, und große Kaufhäuser in Neustadt, Furtwangen u. s. w. be-
sorgen die Versendung, oder der Schwarzwälder, der Uhrenhändler, zieht
selbst mit seiner Waare in alle Welt. Die Uhren zeichnen sich nicht allein
durch genauen Gang und Dauerhaftigkeit, sondern auch durch ihre Form,
Einfachheit und dann durch die künstliche Einrichtung der vollkommeneren
Stücke aus. Andere Zweige der Industrie sind Blechwaaren, z. B. Löffel,
welche auf eigenen Mühlen geschlagen werden, Glas, Schmiedeeisen, Kohle,
Pech u. a. Das Haus des Schwarzwälders hat Aehnlichkeit mit dem
Schwerzerhause. Das Schindeldach ragt weit über die sensterreichen Holz-
wande, die Zimmer sind nnt Holz getäfelt, und Treppen führen von außen
auf einen Gang und zu den oberen Gemächern.