1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Die Kaaba zu Mekka. — Der Beduine.
Krankheiten angesehen, und die recht frommen Muhamedaner glauben, je
mehr sie davon trinken, desto gesunder werden sie bleiben und desto gott-
gefälliger wird ihr Gebet sein. Bekanntlich glauben die Muhamedaner,
daß der Brunnen Zemzem derselbe sei, welchen Jehova auf das Gebet der
Hagar in der Wüste entspringen ließ, als ihr Sohn Jsmael im Begriff
war, vor Durst zu verschmachten. Bei dem Mambar oder der Kanzel,
auf welcher die Freitagspredigt gehalten wird, müssen die Pilger, bevor
sie den Gang um die Kaaba ma^en, ihre Schuhe ausziehen und stehen
lassen, indem es nicht, wie in andern Moscheen, erlaubt ist, sie in der Hand
zu tragen. Jeder Pilger, sowie er in die Stadt tritt, ist verpflichtet, auch
die Kaaba zu besuchen. Sobald man, nach dem Eintritt durch den Säulen-
gang, das heilige Gebäude zuerst erblickt, sagt man gewisse Gebete her
und verrichtet zwei Rikats, d. h. man wirft sich viermal auf den Boden
nieder und drückt dadurch der Gottheit seinen Dank dafür aus, daß man
die heilige Stätte glücklich erreicht hat. Hierauf schreitet man auf einem
der gepflasterten Wege der Kaaba näher, stellt sich dem schwarzen Stein
gegenüber und verrichtet abermals zwer Rikats, woraus der Stein mit der
rechten Hand berührt oder, wenn das Gedränge nicht zu groß ist, geküßt
wird. Nun beginnt der Pilger den Gang um die Kaaba, aber so, daß ihm
dieselbe zur Linken bleibt. Dieser Gang muß sieben Mal wiederholt werden,
und zwar die ersten drei Male mit schnellen Schritten, als Nachahmung
des Propheten, welcher, um das von seinen Feinden verbreitete Gerücht,
als ob er gefährlich krank sei, zu widerlegen, dreimal schnell um die Kaaba
lief. Bei jedem Umlauf müssen mit leiser Stimme gewisse Gebete ver-
richtet und zu Ende desselben der schwarze Stein, sowie ein anderer in
einer Ecke eingemauerter Stein geküßt werden. Zuletzt tritt der Pilger
nahe an die Mauer des Gebäudes, zwischen den Stein und die Hausthür,
drückt die Brust dicht an letztere und sieht mit weit ausgestreckten Armen
zu Gott um Vergebung seiner Sünden. Hieraus zieht er sich gegen das
benachbarte Mekkam Ibrahim zurück, verrichtet hier zwei Rikats und be-
giebt sich dann zu dem anstoßenden Brunnen Zemzem, wo er nach Ver-
richtung eines kurzen Gebets so viel trinkt als er will, oder ihm bei dem
Gedränge des Volks möglich zst. Grube's Charakterbilder.
132. Der Beduine.
Der Beduine ist der Sohn der arabischen Wüste. Er ist mittelgroß,
hager, der Körper muskulös, die Gliederung vom schönsten Ebenmaß, das
Antlitz ein regelrechtes Oval, die schwarzen, blitzenden Augen scharf ge-
spalten, Hand und Fuß zierlich gebildet, die Geberden behende. Der Geist
aber ist seiner Hülle würdig. Der anständigen Körperhaltung entspricht
der Adel und die Ritterlichkeit der Seele; der Beduine ist treu und hält
selbst dem Feinde Wort; er ist gastfrei in dem Maße, daß er selbst hungrig,
ohne scheelen Blick dem steinfremoen Gast aus seiner vollen Schüssel essen
sieht; Mannesehre steht ihm höher, als das Leben; die Schande wäscht er
nur mit Blut ab. „Die Rach', die Rach', und nur nicht die Schmach!" ist
noch immer das Kriegsgeschrei des für seine und seiner Frau Ehre kämpfenden
Beduinen. Es ist wahr, der Beduine ist ein Räuber; Gewalt geht ihm
vor Recht; keine Karawane ist vor ihm sicher; aber Plünderung bei Nacht
und Diebstahl ist ihm ein Abscheu; den Besiegten und Beraubten läßt er
nicht verschmachten, er giebt ihm Obdach und Unterhalt; wer aber vor der
Wanderung seinen Schutz sich erkaufte, dem läßt er kein Haar krümmen.
-vmmer bedacht auf Raub ist er eben so willig, wieder zu geben; auch der
Aermste bietet von seinem Brote und seinen Datteln den Zuschauern seines