1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Der Theebau in China.
vermittelst eines Dreizacks in den Mund zu bringen, obendrein auf die
Gefahr hin, uns die Lippen zu beschädigen oder gar die Augen auszuftechen.
Auch finden sie es außer der Ordnuna, daß wir Nüsse und Mandeln mit
der Schale auf den Tisch bringen und den Dienern die Arbeit ersparen,
die Obstfrüchte zu schälen und das Fleisch zu zerlegen. Ja es ist nicht
blos ein Witzwort, welches man von einem Chinesen erzählt, der darüber
erstaunte, die Europäer Billard spielen, Kegel schieben und tanzen zu sehen
und dazu die Bemerkung machte, warum doch wohlhabende Leute eine solche
Arbeit nicht lieber ihren Dienern überlassen. Schwer.
136. Der Theebau in China.
In China wächst ein kleiner Strauch, ähnlich der Myrthe, — der
Theestrauch. Bis Ende oes sechszehnten Jahrhunderts kannte man ihn
in Europa nicht, und der erste «Lchriststeller, der seiner erwähnt, ein
Italiener, erzählt noch: „Die Chinesen haben ein Kraut, aus welchem sie
einen zarten Saft drücken, welchen sie statt des Weines trinken; auch be-
wahrt er ihre Gesundheit und schützt sie gegen alle die Uebel, welche der
unmäßige Genuß des Weines unter uns hervorbringt". Was würden die
klugen Chinesen gelacht haben, wenn sie das gelesen oder wenn sie gar
dabei gewesen wären, wie man den ersten Thee, den man nach Europa
brachte, als grünes Gemüse mit Butter und Salz zum Fleisch kochte, und
sie dabei die sauern Gesichter hätten sehen können, die sämmtliche Tisch-
gäste des vornehmen Herrn zogen, der das ausländische kostbare Gericht
als Delikatesse vorgesetzt hatte, ohne die Theebereitung zu verstehen.
Seitdem haben die getrockneten Blätter des chinesischen Strauches mit
reißender Schnelligkeit über die ganze Erde sich verbreitet. Wie Chinesen
und Japanesen, vom Kaiser bis zum Bauer, vom frühen Morgen bis in
die späte Nacht seit undenklichen Zeiten ihren Thee (aber stets ohne Milch
und Zucker) tranken und trinken und gekochten Thee selbst auf Märkten
feilbieten, so ist in der ganzen civilisirten Welt der Thee ein Lieblings-
getränk geworden. Engländer und Amerikaner wetteiferten mit einander,
wer den meisten Thee verbraucht, und England nimmt jetzt jährlich an
18 Millionen Kilogramm Thee auf sich. Für ganz Europa kann der Ver-
brauch ungefähr auf 30 Millionen Kilogramm geschätzt werden. In allen
Familien dampft traulich auf den Tischen die Theekanne und ersetzt in den
zahllosen Mäßigkeitsvereinen die Stelle der geistigen Getränke. Man ge-
nießt ihn stark gekocht m festen Speisen und thut sich etwas zu Gute
darauf, daß niemand in der Welt den Thee so gut zu bereiten verstehe,
als die blonden Söhne und Töchter Albions. Mit dem Flieder- und
Krausemünze-Thee, diesen medicinischen Hausmitteln unserer deutschen
Heimat, macht man freilich weniger Umstände.
Es ist mit dem Theestrauche wie mit dem Weinstock; man kann ihn
wohl in andere Himmelsstriche verpflanzen, selbst in Frankreich gedeiht er im
Freien; nirgends aber erlangt er die heimatliche Gewürzhaftigkeit, und so
wird die Welt wohl den klugen Chinesen tributpflichtig bleiben. Es ge-
hört aber auch chinesische Geduld und Sorgsamkeit zur Behandlung des
Thees. Jahre lang düngt, hackt und jätet der Chinese um die buschigen,
immergrünen Sträucher, die er kaum 2 Meter hoch werden läßt und
dann die acht bis zehn Jahre alten Stöcke abhaut, damit sie stets wieder
frische, blätterreiche Sprößlinge treiben. Er gleicht mit seinen weißen
Blüthen etwa unsern Weißdornblüthen; — aber'welchen balsamischen Duft
mögen die Blumen und Blätter aushauchen. Man rieche nur in eine
Büchse guten Thee's! Doch ist der beste der Souchong-, Congo-, Pecco-,