1878 -
Danzig
: Verlag und Druck von A. W. Kafemann
- Hrsg.: Krueger, Karl A., ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Völkerkunde?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Bilder aus Amerika.
müsse, öffnete ich mit Mühe die schmerzenden Augen — aber es war nur,
um meine schauerliche Lage ganz zu erkennen. Indem ich die Höhle, meine
nächtliche Herberge, untersuchte, gewahrte ich mit Entsetzen, daß mir ein
hartgefrorener, menschlicher Leichnam zum Kopfkissen gedient hatte. Schau-
dernd wandte ich mich ab und suchte mein Maulthier, um diesen verhäng-
nißvollen Ort zu verlassen; aber mein Unglück hatte noch nicht sein Ende
erreicht. Mein gutes Thier lag todt aus der Erde ausgestreckt; in seinem
Heißhunger hatte es während der Nacht seine Kräuter nicht sorgsam ge-
wählt, den giftigen Garbancillo gefressen und alsdann seinen traurigen
Tod gesunden.
Diese verzweiflungsvolle Lage hätte wohl auch den Standhaftesten
erschüttert; ich kehrte gegen die Höhle zurück — was tonnte ich thun? Ueber
der nebelfreien Welt stand die junge, siegreiche Morgensonne; die in der
Nacht mit tiefem Schnee bedeckten Ebenen und Hügel lagen hell und grün
da; munter spielten die Vögel neben mir; am Felsen hüpften die Hasen
umher, und langhalsige Rehe näherten sich neugierig, als ob sie von dem
Schrecken der vergangenen Nacht nichts wüßten.
Ich ergriff meine Flinte und erschoß einen Felsenhasen, suchte mir spär-
liches Brennmaterial und briet mir an einem Knochen, der die Stelle eines
Bratspießes vertreten mußte, ein nicht sonderlich wohlschmeckendes Frühstück;
dann erwartete ich ruhig, wie sich mein Schicksal gestalten würde. Es war
etwas nach zwölf Uhr Mittags, als ich in Zwischenräumen ein einförmiges,
abgebrochenes Geschrei hörte; erschrocken, erfreut erkannte ich die Töne.
Ich bestieg den nächsten Felsen und erblickte in der Tiefe die beiden Indianer
von gestern, die ihre mit Mist beladenen Thiere nach dem nächsten Berg-
werke trieben. Schnell eilte ich hinunter und beredete sie, mir für ein
kleines Geschenk von Tabak ein Lama zu überlassen. Sie kamen auch
willig mit mir nach der Höhle; das Lama nahm meine Habseligkeiten auf;
ich warf mit einem Gefühle schmerzlicher Wehmuth eine Hand voll Erde
auf den Leichnam und verließ diesen Ort des Unglücks.
Nach v. Tschudi.
183. Der Sturm am Cap Horn.
Eine Menge von Zeichen deutete darauf hin, daß rrnr jtn von dem
gemäßigten sehr verschiedenes Klima erreicht hatten. Albatrosse erschienen,
und zahllose Schaaren noch nicht gesehener Seevögel belebten das Meer,
damit beschäftigt, im pfeilschnellen Pfluge die Bewohner des Oceans zu
Ergreifen, die sich zu hoch an die Oberfläche gewagt hatten, während uns
andere scheinbar völlig mühelos in der tiefen Furchendes Wassers folgten,
welche ein segelndes Schiff stets hinter sich läßt. Seegräser von der ge-
waltigen Größe der antarktischen Arten begegneten uns in weiten Feldern,
die ersten, die wir seit Durchschneidung des Golfstromes in solcher Menge
wieder sahen. Fortgetrieben von leichten, aber günstigen Winden, näherten
wir uns so dem gefürchteten Cap Horn täglich mehr. Mancher forschende
Blick flog indessen wohl über den herbstlichen Himmel nach dem bilden,
wo stets graue Wolken lagerten und wo auch unser ein trauriges Schicksal
harren mochte. Niemand war unter uns, der nicht das Meer schon oft im
Zustande eines großen Aufruhrs gesehen hatte, und doch ging keiner dem
Cap gleichgültig" entgegen; denn alle hatten von seinen Stürmen gehört
oder gelesen, und die Schicksale mancher Seefahrer erhalten sich vorzugs-
weise als mündliche Ueberlieferungen. Zeitig begannen am folgenden
Morgen die Vorbereitungen auf eine stürmische Fahrt. Durch Zusatz
kräftiger Taue wurden die Masten verstärkt, die längeren Topmaste und