1848 -
Leipzig
: Wöller
- Autor: Winter, Georg Andreas
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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den umkommen müssen, weil. dir sruchtsrelsenden, die ihnen zur
Nahrung angewiesen sind, nicht mehr vorhanden wären. — Was
schon durch einen einzigen Mißwachs für Noth entsteht, das haben
wir in dem Jahre 1847 erfahren. ®. Ludw. Jener.
35. Die Eiche.
j 13g. Der höchste, kräftigste und schönste Baum, den wir in
Deutschland kennen, ist die Eiche. Auf langen, starken, tiefeinge-
wachsenen Wurzeln erhebt stch ihr dicker, mit einer rauhen Rinde
versehener Stamm, welcher oft 60 — 80 Fuß hoch wird. Am oberen
Ende des Stammes strecken mannsdicke Aeste ihre Arme aus und
tragen Zweige, Blätter, Blüthen und Früchte. Der beträchtliche Um-
fang ihrer herrlichen Krone, das dunkle Grün ihrer zackigen Blätter
ergötzt das Auge der Menschen; der kühlende Schatten ihrer dichten
Belaubung erquickt den müden Wandrer; das dumpfe Tosen
und Rauschen des Sturmes in ihren Zweigen erfüllt die Seele
mit Grausen. Ein Sinnbild der Kraft, der Stärke, der Ausdauer
steht er da und trotzt Jahrhunderte lang den Wettern und Stürmen
der Zeit. Unsern Vorfahren, den alten Deutschen, war er ein hei-
liger Baum. Er liefert uns ein festes, dauerhaftes Bauholz zu
Häusern, Schiffen, Eisenbahnen re. Der Tischler verfertigt aus sei-
nem Holze schöne und starke Möbel. Die Früchte, welche Eicheln
genannt werden, sind für die Schweine ein treffliches Nahrungsmittel.
Die getrocknete Rinde wird zerstampft, heißt alsdann Lohe und wird
vom Gerber benutzt. Aus: Leftbuch für Mittelkl. von einem Lehrcrvercinc.
36. Die Tanne. (Anrede an diese.)
13^. Vor dir, du gewaltige Riesin! muß selbst die majestätische
Eiche stch beinahe demüthigen, denn du erreichst eine Höhe von 100
Fuß und darüber. Darum geht man auch mit dir weit besser um,
als mit der Eiche; man haut dich nicht in Stücken, sondern nimmt
dir nur deine Aeste, damit du glatt und schlank da stehen mögest als
ein ungeheurer Mastbaum, der den wildesten Stürmen Widerstand
leistet, und die gewaltigen Segel trägt. Aber wenn du gleich viel
höher steigst, als die Eiche, und überhaupt ein hochmüthiger Baum
bist, daher du dich gern auf Bergen ansiedelst, so darfst du dich doch
neben der Eiche nicht sonderlich brüsten, denn es fehlt dir das Beste,
nämlich das Laub, das herrliche, grüne und schattenreiche Laub, welches
uns im Frühling so wohl gefällt, und den ganzen Wald aufs fest--
lichste schmückt; du gehörst zu dem dürren und düstern Nadelholz,
und lebst mit allen Menschen in Feindschaft, denn du stichst jede
Hand, die stch dir nähert.