1867 -
Berlin
: Dümmler
- Autor: Voigt, Ferdinand
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Tod Kaiser Karl's Vi.
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mal da ln den deutschen Erblanden sich eine große Geneigtheit
für Bayern zeigte, und der Kurfürst bereits die dortigen Stände
aufforderte, keine Huldigung zu leisten, welche dem Hanse Bayern
nachtheilig sein könnte.
Die größere Gefahr für Maria Theresia ging dessen un-
geachtet nicht von Bayern, sondern vielmehr von Preußen aus.
Es ist oben erzählt, daß zwar auch König Friedrich Wilhelm die
pragmatische Sanction garantirt hatte, doch nur unter der Be-
dingung, daß ihm dafür Berg zu Theil würde. Da letzteres
nicht geschehen war, so mußten jene Verträge, nach der ausdrück-
lichen Bestimmung in denselben, ohne Kraft und Wirkung sein.
* Kaum daß am 28. October die Nachricht von dein Tode des
Kaisers in Rheinsberg eintraf, erhob sich deshalb Friedrich, nicht
sowohl um seine Anrechte auf Berg aufs neue durchzusetzen oder
wohl gar den Rath zu befolgen, die Kaiserwürde 'an Preußen
zu bringen, als vielmehr sich Schlesiens zu bemächtigen; sein
Entschluß in dieser Beziehung stand so unabänderlich fest, daß er
nur über das Wie den Rath seiner beiden Vertrautesten , des
Ministers v. Podewils und des Feld-Marschalls v. Schwerin,
verlangte. Zwei Wege standen offen, diesen Besitz zu erlangen:
der eine, durch militairische und Geld-Hülfe Maria Theresia zu
dieser Abtretung auf friedliche Weise zu veranlassen; der andere,
sich mit Bayern und Sachsen gegen Oesterreich zu verbinden
und sich Schlesien zu sichern, indem man diesen beiden Mächten
zu ihrem Rechte verhülfe. In beiden Fällen schien es am ge-
rathensten, sich in den Besitz Schlesiens zu setzen; welche Ver-
bindungen man dann anknüpfen mochte, jederzeit blieb man da-
bei im Vortheil, zumal da auch Sachsen, das ebenfalls ältere
Ansprüche auf die österreichische Erbschaft erneuerte, nicht übel
Lust hatte, durch die Erwerbung Schlesiens eine unmittelbare
Verbindung mit Polen zu erhalten.
Die Begründung der Ansprüche, welche Friedrich auf die
schlesischen Fürstenthümer Liegnitz, Brieg, Wolau und Jägern-
dors erhob, ist bereits oben mitgetheilt; hier mag deshalb eine
gedrängte Uebersicht der historischen Verhältnisse von Schlesien
genügen.
Wie die Mark Brandenburg tritt auch Schlesien erst da
in die Geschichte ein, als es mit den Deutschen in Berührung
kam. Beide Länder hatten zu jener Zeit slawische Bevölkerung;