1867 -
Berlin
: Dümmler
- Autor: Voigt, Ferdinand
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Xiv. Preußen als Großmacht.
brücke über die Oder abzuhalten und auf diese Weise dieselben
sich wieder ordnen zu lassen. Die Manövrirkunst des Heeres
hatte einen hohen Grad der Vollkommenheit erreicht, da Fried-
rich von dem Grundsatz ausging, daß nicht sowohl durch das
Feuern der Truppen als vielmehr durch ihre gute Haltung und
große Beweglichkeit der Sieg errungen werden müsse. Deshalb
war es nicht allein bei Leuthen, wo der König die j. g. schiefe
Schlachtordnung in Anwendung brachte, sondern auch in
allen andern Schlachten that er dies, wo nur irgendwie ihm die
Möglichkeit dazu geboten wurde; sie fand sich aber um so häu-
figer, als die Feinde eine feste Stellung zu nehmen gewohnt
waren, die weniger zum Angriff als zur Vertheidigung taugte.
Zur Aufrechthaltung der strengsten Disciplin waren zwar
der Stock, Spießruthen und andere harte Strafen ein wirksames
Mittel, doch wenigstens ebenso hoch muß die Thätigkeit und der
Diensteifer der alten geschulten Unterofficiere angeschlagen wer-
den, deren Aussicht und Beispiel merkwürdig einwirkte. Das
Officiercorps war zahlreich und bestand fast durchgeheuds aus
Adligen; nur bei der Artillerie, bei den Husaren und den Gar-
nison-Regimentern wurden auch Bürgerliche zugelassen; ein scharf
ausgeprägter Corpsgeist wohnte in demselben, und seine Stel-
lung war eine sehr bevorzugte, um zum Kriegsdienste aufzumun-
tern. (Leine Pflanzschule waren die Cadettenhäuser, deren Zahl
der König noch vermehrte; um eine größere wissenschaftliche Aus-
bildung zu befördern, wurde 1765 die Militair - Akademie
und 1775 die Ingenieur-Schule eingerichtet. Alte Offi-
ciere wurden vielfach mit ansehnlichen Stellungen ausgestattet;
alte und invalide Unterofficiere und Soldaten, wenn sie lesen
und schreiben konnten, erhielten häufig in Staats- und städtischen
Diensten eine Versorgung oder wurden auch wohl mit etwas Län-
derei ausgestattet. Der größere Theil lebte kümmerlich vom
Gnadensolde oder auch wohl von der Bettelei, da das 1748 voll-
endete Jnvalidenhaus zu Berlin verhältnißmäßig nur wenige
aufnehmen konnte.
Sämmtliche Truppentheile standen stets so auf dem Kriegs-
fuße, daß das Heer in spätestens sechs Wochen marschfertig sein
konnte. Deshalb war für alle Bedürfnisse stets hinlänglich ge-
sorgt, und in allen Festungen waren die Magazine reich gefüllt.
Der s. g. kleine Schatz reichte für die Mobilmachung hin, den
großen Schatz suchte der König so zu mehren, daß er schlimm-
sten Falls einige Jahre Krieg führen könnte, ohne die Steuer-
kraft des Volkes in Anspruch nehmen zu müssen. Diese Schätze