1867 -
Berlin
: Dümmler
- Autor: Voigt, Ferdinand
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Lütticher Angelegenheiten.
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vinz allein bei Oesterreich verblieben war, 30,000 Oesterreicher
in das Land und unterwarfen es ohne Schwertstreich. Non der
Wiederherstellung alter Freiheiten war natürlich unter solchen
Umständen keine Rede.
Noch nachtheiliger für Preußen gestalteten sich die Lütti-
cher Angelegenheiten. Als nämlich in den österreichischen
Niederlanden die Empörung gegen Kaiser Joseph ausgebrochen
war, hatten auch die Lütticher im August 1789 die Waffen er-
griffen, um sich die Freiheiten wieder zu verschaffen, die ihnen
hundert Jahre zuvor genommen worden waren. Der Bischof
Constantin Franz willigte in ihre Forderungen, entwich aber gleich
darauf nach Trier, und gleichzeitig erging vom Reichs-Kammer-
gericht die Androhung von Exemtion, wenn die Lütticher sich
nicht unterwerfen würden. Ihre Verhandlungen mit dem Bischöfe
waren erfolglos, und so wurden denn die ausschreibenden Fürsten
des niederrheinisch-westfälischen Kreises Cöln, Jülich und Cleve
beauftragt die Exemtion zu vollstrecken. Friedrich Wilhelm, als
Herzog von Cleve, ließ zwar im September 1789 unter dem
General v. Schließen einige tausend Mann, darunter auch Pfäl-
zer und Cölner, in dcñ Land rücken, versprach aber den Lüttichern
gleichzeitig für die Erhaltung ihrer Freiheiten Sorge zu tragen.
Da jedoch alle seine Bemühungen bei dem Bischöfe wie bei seinen
Mitexecutoren und dem Reichs-Kammergericht vergeblich waren,
vielmehr im December ein verschärftes Mandat erfolgte, den frü-
heren Zustand unnachsichtlich wiederherzustellen, so zog er im
April 1790 seine Truppen zurück, indem er erklärte, daß er den
Reichs-Auftrag nicht mit Gerechtigkeit und Ehren durchführen
könnte. Dafür wurden im Sommer 1790 andere Reichstruppen
aufgeboten, welche mit so traurigem Erfolge kämpften, daß sich
das Reichs-Kammergericht abermals an Preußen wandte. Der
König nahm jedoch den Auftrag nicht an, da der Bischof alle
seine Vorschläge hartnäckig zurückwies, und verhielt sich ganz
theilnahmlos, als im Januar 1791 österreichische Truppen auch
hier einrückten und jeden Widerstand zu Boden schlugen. Die
Hauptschuld an der darauf erfolgenden trostlosen Reaction wurde
Preußen untergeschoben, ohne dabei in Erwägung zu ziehen, daß
vorzugsweise Mitglieder des Fürstenbundes es waren, die jede
Verständigung vereitelt hatten.
Oesterreich hatte zwar zugesagt, Frieden mit der Türkei zu
schließen, doch erst gegen Ende des Jahres 1790 zu Sistowa (an
der unteren Donau) Unterhandlungen eingeleitet, die gar bald
ins Stocken geriethen, da der Kaiser Forderungen aufstellte, welche