1867 -
Berlin
: Dümmler
- Autor: Voigt, Ferdinand
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
200
Xiv. Preußen als Großmacht.
Abhülfe die einberufenen Reichsstände am 5. Mai 1789 zu-
sammentraten. Durch seine Kühnheit gewann der dritte Stand
sehr bald ein solches Uebergewicht, daß er sich schon am 17. Juni
für eine „National - Versammlung" erklärte; ihm schloß
sich gleich darauf eine sehr große Zahl von Geistlichen an. Unter
den Beschlüssen, die rasch nach einander gefaßt wurden, und durch
welche Frankreich eine gänzlich veränderte Gestalt seiner inneren
Verhältnisse erhielt, war keiner von größerer Wichtigkeit als der
vom 4. August, welcher alle bisherigen Vorrechte des Adels und
der Geistlichkeit aushob und die Güter der letzteren der Nation
zur Verfügung stellte. Eine große Anzahl deutscher weltlicher
wie geistlicher Fürsten und Herren, welche namentlich im Elsaß
ansehnliche Besitzungen hatten, verloren durch jene Maßregeln so
bedeutend, daß sie sich zu Anfang des Jahres 1790 mit ihren
Klagen an die National-Versammlung wandten. Dieselbe stellte
Entschädigung auf so ungenügende Weise in Aussicht, daß die
Betheiligten den neu erwählten Kaiser Leopold Ii. um Hülse ba-
ten, und als auch dessen Unterhandlungen keine befriedigende
Lösung herbeiführten, ihre Sache zu Anfang 1791 vor den
Reichstag brachten. Kurmainz, das ganz besonders große Ein-
buße erlitten hatte, nahm überdies die Hülfe des Fürstenbundes
in Anspruch, und bei den Reichs-Verhandlungen wurde die For-
derung gestellt, daß man bei dieser Gelegenheit die Länder wieder
nehmen müsse, welche dem Reiche im Lause der Zeit von Frank-
reich entrissen worden wären. Friedrich Wilhelm war es damals
besonders, der diesen ungestümen Forderungen weise Mäßigung
entgegensetzte und den Weg der Gewalt vermieden wissen wollte.
Der Kaiser übernahm es zwar, die Reichs-Beschlüsse an König
Ludwig Xvi. gelangen zu lassen, bald genug aber wurde diese
Sache durch wichtigere Dinge in den Hintergrund gedrängt.
Eine große Anzahl französischer Flüchtlinge hatte sich seit
der Erstürmung der Bastille in Paris (den 14. Juli 1789)
nach Deutschland begeben und namentlich bei dem Erzbischof von
Trier in und bei Coblenz gastliche Ausnahme gefunden. Als
1791 die beiden Brüder des französischen Königs, der Graf von
Artois und der Gras von Provence, ebenfalls hier eintrafen,
mehrte sich die Zahl der Emigranten so bedeutend, daß sie mit
Beihülfe des Erzbischofs ernstliche Anstalten trafen, mit bewaff-
neter Macht nach Frankreich zurückzukehren; doch konnte, als der
Kaiser und Friedrich Wilhelm zu Pillnitz im August 1791 über
die französischen Verhältnisse mit einander beriethen, der Gras
von Artois diese Monarchen nicht bewegen, seinen Vorschlägen