1867 -
Berlin
: Dümmler
- Autor: Voigt, Ferdinand
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Xiv. Preußen als Großmacht.
Zu dem entsetzlichen Unglück, das Preußen so schwer be-
troffen hatte, kam noch der Spott und Hohn von denen, welche
Preußens schnelles und kräftiges' Aufblühen stets mit neidischem
Auge angesehen hatten, ja was noch schlimmer war, im Lande
selber wurden viele Stimmen laut, welche die alte Regierungs-
weise bitter schmähten. Und allerdings war es nur zu klar ge-
worden, daß man in merkwürdiger Selbstüberschätzung und mit
außerordentlicher Zähigkeit die alten Formen festgehalten hatte,
die bei dem gewaltigen Umschwünge der Zeit längst ihren Werth
verloren hatten. Einseitig aber war dieser Tadel, insofern er sich
vorzugsweise auf die alte Kriegs-Verfassung richtete, wenn auch
gerade bei dem Heere, das dem Lande Schutz gewähren sollte
und nun ein so klägliches Ende genommen, die Uebelstände sich
am schreiendsten herausstellten.
Wenn auch König Friedrich selber in den letzten Jahren
seine Armee nicht mehr für das hielt, was sie in den schlesischen
Kriegen gewesen, so war doch ihr Ruf ein so großer, daß sie
anderen zum Muster diente, und auch noch in den Kriegs-Un-
ternehmungen Friedrich Wilhelm's Ii. hatte sie den alten Ruhm
ihrer Tüchtigkeit zu bewahren gewußt. Kein Wunder, daß der
Glaube an ihre Unüberwindlichkeit von dem ganzen Volke ge-
theilt wurde, während der Unbefangene zugestehen mußte, daß
ihr ganzer Zuschnitt den Vergleich mit den neufranzösischen Hee-
ren nicht aushalten konnte. Das Heer zählte damals 250,000
Mann, darunter etwa ~ Ausländer. Alle waren mehr oder
weniger der Hefe des Volkes zugehörig, weshalb nur die strengste
Disciplin Ordnung in diesen Schaaren aufrecht erhalten konnte;
auch hatte dies Verhältniß den Nachtheil, daß nicht nur der
Gegensatz zwischen dem Offizier und Gemeinen, sondern noch
mehr zwischen dem Militair und Bürger ein sehr schreiender war.
Der Soldat, zu 20jähriger Dienstzeit verpflichtet, Her Offizier,
der nur langsam durch Anciennität zu den höheren Stellen auf-
rücken konnte, ergrauten beide im Dwnste und waren bei dem
besten Willen nicht im Stande, die Strapazen eines Feldzuges
zu ertragen. Dazu kam, daß die Bekleidung des Soldaten eine
sehr ärmliche war; dem Fußvolk namentlich fehlten die Mäntel,
so daß der Gebrauch von Zelten beim Lagern nothwendig wurde.
Dadurch aber wurde wieder das Gepäck, das man mit sich füh-
ren mußte, ein übermäßig großes, und ging dies verloren, so
mußte bei rauher Jahreszeit das Heer große Einbuße erleiden.
Ebenso nachtheilig für schnelle Bewegung war die Verpflegung
des Heeres aus Magazinen, während bei der neuen Kriegsfüh-