1867 -
Berlin
: Dümmler
- Autor: Voigt, Ferdinand
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Xiv. Preußen als Großmacht.
satzung, französische Truppen häuften sich an den Grenzen, der
Rheinbund wie Polen rüsteten. Vergeblich hatte Hardenberg dem
Kaiser ein Bündniß angeboten, lange schwankte Napoleon, ob er-
es annehmen sollte — und er hat es nachmals schwer bereut,
daß er nicht Preußen völlig vernichtet, bevor er gegen Rußland
aufgebrochen wäre —; endlich kam ein solches am 24. Februar
1812 zu Stande. Preußen sollte zum Kriege gegen Rußland
20.000 Mann stellen, ohne jedoch sein Heer deshalb zu vergrö-
ßern; mit Ausnahme von Potsdam als der Residenz des Königs
sollte das ganze Land den französischen Heeren offen stehen, keine
neue Aushebung durfte gemacht, keine Dislocation der Truppen
vorgenommen werden, und bei dem dereinstigen Frieden sollte es
nach Verhältniß seiner Lasten und Dienste Gebiets-Entschädigung
erhalten. Diese harten Bedingungen schlugen den Muth der Pa-
trioten so gänzlich nieder, daß Hunderte von Officieren aus der
Armee austraten, und daß selbst Scharnhorst und Gneisenau ihre
Stellung aufgaben.
Vortheilháster war das Bündniß, das Oesterreich mit Frank-
reich abschloß. Es stellte ein Hülsscorps von 30,000 Mann,
das unter österreichischem Oberbefehl gesondert bleiben sollte, und
es wurden ihm für diese Hülfe reiche Gebiets-Vergrößerungen
in Aussicht gestellt. Bei solchen Vorbereitungen waren die fer-
neren diplomatischen Verhandlungen mit Rußland nur bloße
Formsache; sie wurden von Napoleon nur geführt, um der
großen Armee Zeit zu lassen, sich allmählich gegen die russische
Grenze vorzuschieben. Aufs neue wurde Preußen mit empören-
der Willkürlichkeit behandelt. Die Erpressungen aller Art, von
den obersten französischen Befehlshabern bis zum gemeinen
Soldaten herab verüht, erfüllten die Herzen der Bedrängten mit
so großer Erbitterung, daß das Schlimmste zu befürchten war.
Im Mai 1812 war Napoleon in Dresden, wo ihn der Kaiser
Franz und Friedrich Wilhelm begrüßten, und am 22. Juni, auf
dem Wege ;um Niemen, verkündigte er seinem Heere den Be-
ginn des zweiten polnischen Krieges. Von den 600,000 Mann,
die auf dem Marsche nach Rußland waren, überschritten zunächst
450.000 Mann die Grenze; die Russen hatten kaum die Hälfte
dieser Zahl entgegen zu stellen, wozu noch der Nachtheil kam,
daß die Einheit im Oberbefehl mangelte, da der commandirende
Barclay de Tolly als Liefländer den Stockrussen ein Dorn
im Auge war.
Auf dem äußersten rechten Flügel der großen Armee standen
die Oesterreicher unter Schwarzenberg; das preu-