1864 -
Augsburg [u.a.]
: Rieger
- Hrsg.: Frey, Michael, Büschl, Andreas
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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haben es bekanntlich die Böhmen am weitesten gebracht, und es sind gegen-
wärtig nicht weniger als 75 Glashütten und 22 Glasschleifereten vorhanden.
Prag an beiden Ufern der Moldau, die Hauptstadt, hat 4 Stunden
Umfang, 131,000 Einwohner. Die Brücke über die Moldau ist die größte
in Deutschland, 1800 Fuß lang, 35 breit, mit 28 Statuen von Heiligen
geziert, unter denen sich besonders die Bildsäule des heiligen Johannes
von Nepomnck auszeichnet, der hier in die Moldau gestürzt wurde. Prag
hat einen Erzbischof, eine Universität, 168 Paläste, fast 100 Kirchen, viele
Fabriken und starken Handel. Im Dom zum heiligen Vitus ist das Grab
des heiligen Johannes von Nepomuck, mit vielen Kostbarkeiten. Eine halbe
Stunde von Prag befindet sich der weiße Berg, mir der Kirche Mariä
vom Siege. Schlacht 1620 und 1737. Tabor, vor 400 Jahren von den
Huffiten erbaut, liegt auf einer Anhöhe und hat 4000 Einwohner. Eg er
an der Eger, nicht weit von Bayerns Grenze, als der Ort berühmt, wo
Wallenstein ermordet wurde. (Siehe 1. Theil, Seite 104). Töplitz am
Erzgebirge mib Karlsbad an der Eger mit warmeu Bädern.
Wie im L.inlc, so zeigt sich auch im Charakter des Böhmen noch mannigfach eine
gewisse Natürlichkeit. Ein hervorstechender Zug ist besonders seine Höflichkeit.
Oesterreichs ansterdeutsche Länder.
Dirö Königreich Ungarn mit seinen Nebenländern (3306 Q.-M),
am südlichen Abhang der sehr metallreichtn Karpathen, die das Land in
einem halben Bogen umziehen und sich vielfach in's Innere verzweigen. Zwi-
schen ihnen und noch mehr im Süden liegen unabsehbare Ebenen, zum Theil
Sandsiächen, oder mit Rohr und Schilf bewachsene Sümpfe, wie zwischen
Donau und Theiß. Der seichte Neusiedler-See und der tiefe Plat-
ten-See westlich von der Donau scheinen Ueberrcste elnes vor dem um-
fangreichen, nunmehr ausgetrockneten oder abgeflossenen Sees zu sein.
Jenen umschließen jetzt reiche Wciilberge und weite Moraste. Das Klima
ist warm, im Süden heiß im Sommer, streng kalt im Winter, wie überall
östlich von Deutschland. In den Gebirgsgegenden hört der Ackerbau fast
auf, während am Fuß derselben unter 80^ eln feuriger Wein wächst. An
der Theiß sind viele große Pußten, das heißt Viehtriften mit zahlreichen
Wohn- und Wirtschaftsgebäuden; steppenähnliche Sandplätze wechseln mit
fruchtbaren Stellen ab, und der bebaute Boden gibt das Wcizcnkorn dreißig-
fach wieder. Moräste verderben häufig die Luft, und die gesundesten schönsten
Gegenden sind die Gebirgsabhäuge. Heuschrecken und Erdbeben sind öfters
verwüstend. Dennoch gehört Ungarn zu den gesegnetsten Ländern und konnte '
bei deutscher Benutzung durch Bearbeitung seiner Erzeugnisse und Handel
eines der reichsten Länder sein. Aber der Ackerbau ist noch roh. Auch jetzt
schon ist die Pferde- und Schafzucht sehr bedeutend, ungarische Ochsen sind
sprichwörtlich, der Obstbau ist ansehnlich, Getreide gedeiht auch bei geringer
Sorgfalt bis zum Ueberfluß. Die Tragkraft des Bodens ist in manchen
Strichen so groß, daß man 10 Jahre lang auf demselben Boden Weizen
bauen kann. Für Flachs, Hanf, Tabak (den besten in Europa) und treff-
lichen Wein (vorzüglich bei Tokay an der obern Theiß) zieht man viel
Geld aus dem Ausland. Fabriken kennt man noch wenige, nur Leder
wird gut bereitet. Kein anderes Land in Europa ist so reich an Gold, auch
die Ausbeute an Silber, Kupfer, Blei, Eisen, Steinkohlen und Salz ist
sehr bedeutend. Von den Einwohnern sind noch an 5 Millionen kräftig ge-
baute, feurige Ungarn (oder eigentlich Magyaren, die Eroberer des