1864 -
Augsburg [u.a.]
: Rieger
- Hrsg.: Frey, Michael, Büschl, Andreas
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
I
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Kiefern, Espen und Birken sammt den Wurzeln mit, ohne welche Wohlthat sie
weder ihre Erdhütten decken, noch Zelte aufrichten, noch Boote und Werkzeuge
zum Seehundsfang sich verfertigen könnten. Nie ward es erhört, daß dies Holz
ihnen versagte. Wer erstaunt nicht hierüber? Ein anderes Land, vielleicht ein
anderer Welttheil, — denn noch zur Stunde weiß Niemand, woher dasselbe
kommt, — muß, wer weiß durch welche Erschütterungen — eine bestimmte Menge
Holzes losreißen, in's Meer werfen und auf den Wellen des Oceans geraden
Wegs nach Grönland senden, wiewohl der Zug des Wassers solches eben so leicht
auf die entgegengesetzte Seite fortreißen, oder auf einer so weiten, oft so stürmi-
schen Reise früher oder später dahin absetzen könnte.
Eine andere große Wohlthat für die um den Pol gelegenen Länder
und besonders für Grönland ist das Löffelkraut, das während des kurzen Sommers
daselbst in großer Menge aufsproßt. Gleichwie die göttliche Fürsehung den Be-
wohnern der heißen Länder die kräftigsten Arzneien gegen die hitzigen und Faul-
fieber spendete, die daselbst häufig sind, so gab sie den Bewohnern dieses Landes
das treffliche Heilkraut, das, wenn während des langen Winters aus Mangel an
Bewegung oder wegen deö beständigen Sitzens im Qualm und Dampf der
Thranlampe und wegen beständiger Fleischspeisen das Blut skorbutisch wird,
wenn Hitze, Schwindel, Kopfweh, Erschlaffung und andere Nebel sie drücken,
ihnen zur wirksamsten Arznei gereicht, das Blut reinigt und neues Leben gibt.
Lang und furchtbar sind die Nächte, die in diesen Polarländern herr-
schen. Zu ganzen Monaten leuchtet ihnen die Sonne gar nicht. Aber die Güte
des Schöpfers milderte ihnen auf die freundlichste Weise das Schreckliche dieser
furchtbaren Nacht durch die liebliche Helle deö Nordlichts, das diese ganze Zeit
hindurch so bell, wie der Vollmond, in langen lichten Streifen durch die Lust.,
zieht und auf der weißen Decke des Landes einen unaussprechlich schönen Anblick
gewährt. —• Wie wunderbar bist du, o Gott, du liebreicher Vater der Menschen !
Kann deine liebliche Sonne einem Lande nicht aufgehen, so muß der ganze
Himmel im Feuergewande strahlen, um deinen in Finsterniß sitzenden Geschöpfen
zu leuchten. Wer erkennt dich nicht, Allmächtiger, in den Wundern deiner
Schöpfung!
Iv. D i e W e l t.
Die Sonne.
Die Sonne hat wie alle anderen Himmelskörper eine Kugelgestalt. Nach
den angestellten Berechnungen ist sie 1,409,725 Mal größer als die Erde.
Ihr Durchmesser ist 112 Mal länger als der Erddurchmesser, denn er be-
trägt 192,603 Meilen. Trotz dieser Größe erscheint uns die Sonne ziemlich
klein, was sich daraus erklärt, daß sie ungefähr 20,000,000 Meilen von der
Erde entfernt ist. Diese Entfernung ist so unermeßlich, daß es dem mensch-
lichen Verstände schwer wird, dieselbe zu begreifen, und so ist es auch nicht
leicht, sich von ihrer Größe eine richtige Vorstellung zu machen. Um Bei-
des einigermaßen zu veranschaulichen, hat man folgende Berechnungen ange-
stellt. Wenn man annimmt, daß eine aus einer Kanone abgeschossene Kugel
in jeder Minute zwei Meilen weit fliegt, so würde diese Kugel gleichwohl
beinahe 20 Jahre brauchen, um den Weg von der Erde bis zur Sonne zu-