1864 -
Augsburg [u.a.]
: Rieger
- Hrsg.: Frey, Michael, Büschl, Andreas
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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man in- einem Kloster attm Abendessen bereitet batte, waren zufällig einige
Wurzeln der schwarzen Bilse gerathen. Alle Mönche, welche von der Speise
gegessen hatten, fielen in gefährliche Zustände. Der eine glaubte, er klettere
einen Baum hinan, und kroch doch nur an dem Ofen seiner Zelle umher;
ein anderer hielt die Buchstaben seines Gebetbuchs für lebendige, hin und
her laufende Ameisen; fast alle klagten über Trockenheit im Mund, heftigen
Durft und Schwindel. ' \ :
Der Stechapfel, auch Teufelsapfel, Krötenmelde und Stachelnuß ge-
nannt, ist noch viel schlimmer als das Bilsenkraut. Das Bilsenkraut sagt
es einem schon durch seine Farbe, daß es kein sehr umgängliches Kraut
sei; aber dieser häßliche Stechapfel hat eine so schone weiße Blüthe, daß
man sie von fern für eine Lilie halten konnte. Die Fruchtkapsel ist mir
Stacheln bedeckt, fast wie bei der Roßkastanie, und inwendig liegen die
kleinen, schwarzen Korner, deren Genuß Zuckungen, Zittern und Wahnsinn
erzeugt. Dennoch hat sich der Mensch auch aus diesem giftigen Gewächs
ein Heilmittel gegen Raserei, fallende Sucht und heftiges Zucken der Glieder
bereiten gelernll Der Stechapfel wächst an Wegen, auf Schutthaufen und
ans angebautem Land. Man sagt, die Zigeuner haben ihn aus dem Mor-
genland zu uns gebracht.
Manche Giftpflanzen sind etwas weniger gefährlich, gewähren sogar
manchen Nutzen, wollen aber doch mit Vorsicht behandelt sein.
Der rothe Fingerbnt z. B., der auf sonnigen Hügeln und in ge-
birgigen Waldgegenden wild wächst und in den ‘ Gärten als Zierpflanze
gezogen wird, hat giftige Blätter, welche unangenehm riechen, bitter und
scharf schmecken und sehr betäubend sind. Dem blauen Etsenhut, der
um seiner schönen, veilchenblauen, manchmal weißen und violett gesäumten
Blumen willen als Zierpflanze in den Gärten gehalten wird, sagt man nach,
daß durch ihn in den Alpengegenden, wo er sehr häufig wächst und die
Bienen ihm viel zufliegen, der Honig giftige Eigenschaften bekomme; am
giftigsten scheint aber an ihm die Wurzel und der Same zu sein.
Der Seidelbast oder Kellerhals hat im März oder April lieblich
duftende, rosenrothe oder pfirsichrothe Blüthen; die Rinde aber hat einen so
scharfen Saft, daß sie auf der Haut starke Blasen zieht; eben so scharf
ist der Saft seiner kleinen Kirschen, die einen Stein haben. Ein Mädchen,
das 12 Kirschen des Seidelbasts genossen, starb an Blutbrechen.
Die Herbstzeitlose blüht im Herbst, wenn alles Gras abgemäht
ist, zu Tausenden auf den Wiesen. Ihre länglichrunden Fruchtkapseln sind
zur Zeit der Heuernte, wo sie reifen, ein gefährliches Spielzeug für die
Kinder; denn schon hie und da haben die schwarzbraunen, rundlichen Samen-
körner derselben einem den Tod gebracht. Zwei Kinder aßen von dem Sa-
men der Zeitlose und bekamen heftiges Erbrechen. Die Aeltern gaben ihnen
warme Milch; doch starb eines der Kinder schnell; das andere erholte sich
allmähltq wieder. Bei dem schwarzen Nachtschatten, dessen Blüthen
große Aehnlickkeit mit den Kartoffelblüthen haben, und bet dem klettern-
den Nachtschatten sind es hauptsächlich die Beeren, welche eine schäd-
liche, in Menge genossen, ködtliche Wirkung haben. Die Beeren des schwar-
zen Nachtschattens sind schwarz, die des kletternden roth und länglicht. Bet
einem Knaben, der von seinen Beeren gegessen hatte, erweiterten sich die
Pupillen der Augen, cs entstand ein Brennen im Magen und unter Irre-
reden, Beängstigung, Zittern der Glieder und kalten Schweißtropfen starb er.
Zu den minder gefährlichen rechneten wir diese Giftpflanzen nur darum,
weil sie eben keine Aehnlichkett mit genießbaren Pflanzen haben, und deßhalb