1864 -
Augsburg [u.a.]
: Rieger
- Hrsg.: Frey, Michael, Büschl, Andreas
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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der verschiedenen Lage der Orte und Länder. In unserem Vaterlande bringt
der Nordwind in der Regel Kälte mit sich, weil er aus kälteren Gegenden
kommt, der Südwind dagegen mildes Wetter. Der Ostwind, der über große
Länderstrecken zu uns gelangt, pflegt trockenes, schönes Wetter, der Westwind
dagegen, welcher über große Waffermassen zu uns kommt, meist Regen mit
sich zu bringen.
Bei uns wird man kaum bemerken, daß ein gewisser Wind zu gewissen
Zeiten im Jahre bläst, wenn nicht etwa in den Frühlings- und Herbstes-
Tag- und Nachtgletchen, wo es von Westen her oft heftig zu stürmen pflegt.
Aber in anderen Ländern hat man gewisse Winde" zu bestimmten Zetten.
So bläst zwischen den Wendekreisen ein beständiger Wind in östlicher Rich-
tung, welcher Passat wind genannt wird; er hat seine Ursache darin, daß
die kältere und schwerere Luft von den beiden Polen immer gegen den Aequa-
tor hin strömt, wo die wärmere und leichtere Luft in die Hohe steigt. An
den Meeresküsten bemerkt man gewisse Land- und Seewinde, und zwar bläst
der Wind während des Tages vom Meere und während der Nacht vom
Lande her. Es kommt dieses daher, weil Land und Wasser durch die Sonne
am Tage ungleich erwärmt werden, in der Nacht aber sich ungleich abkühlen.
Die Gewalt der Luft ist sehr groß, wenn sie sich schnell bewegt. Auf
dem Meere treibt sie Wogen zu kleinen Bergen empor, und stürzt Schiffe
um; auf dem Lande können durch das Wehen eines Orkans die größten
Verheerungen angerichtet werden. In den gemäßigten Erdstrichen erlebt man
wohl Stürme, welche Scheunen umwerfen, Dächer von den Wohnhäusern
herabreißen und Eichen entwurzeln, allein der Hauptsitz der furchtbaren Or-
kane ist Westindien, die Gegend zwischen der Insel Madagaskar und Neu-
holland, und das chinesische Meer.
Die Geschwindigkeit, mit welcher sich die Luft beim Wehen des Windes
fortbewegt, sucht man durch eigene Instrumente, die sogenannten Anemo-
meter oder Windmesser, zu bestimmen. Hiebei hat man gefunden, daß
ein mäßiger Wind in 1 Secunde 6 Fuß, in 1 Stunde 1 Meile,
eine ziemliche starke „Brise" „ „ „ 17 „ „ „ „ fast 3 Meilen
ein schwerer Wind „ „ „ 46 „ „ „ „ 8 „
ein Sturm „ ,, ,, 70 ,, ,, ,, „ 1272 n
ein Orkan ,, ,, ,, 110 ,, ,, ,, ,, 20 ,,
der schwerste Orkan „ „ „ 140 „ „ „ „ 25 „
zurücklegt. Auch die Schwere, mit der die Winde auf die von ihnen ge-
troffenen Gegenstände drücken, wird durch das Anemometer ermittelt. Sie
beträgt beispielsweise auf einer 9% Quadratfuß großen Fläche bet einer
Geschwindigkeit des Windes von 60 Fuß in der Secunde etwa so viel als
einen Centner; bei Orkanen von 120 Fuß Geschwindigkeit gegen vier
Centner. Daß ein solcher Wind im Stande ist, Häuser und Bäume umzu-
werfen, ist also leicht begreiflich.
Bisweilen dreht sich die Luft in einem Wirbel, was seinen Grund in
dem Aufeinandertreffen von zwei entgegengesetzten Winden haben kann. Aber
solche Wirbelwinde (Windhosen, Wasserhosen, Tromben) haben gewiß oft
andere Ursachen, da man sie zu Zeiten beobachtet, wo die Luft rings umher
ruhig ist. Auf Landstraßen kann man nicht selten sehen, wie von einer
schwächeren Trombe Staub und Sand in einer langen, dünnen Säule in
die Luft hinaufgezogen wird. In anderen Fällen steht man sie aber eine
viel stärkere Kraft äußern. So hat man beobachtet, daß sie ziemlich schwere
Kanonew von der Stelle gehoben und große Bäume mit der Wurzel ausge-
rissen haben. Ja es ist vorgekommen, daß ein großer Baum 600 Fuß weit