1868 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde, Europa
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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A. Europa.
cultäten in derselben Stadt hat. Der Facultäten sind in Frankreich 5:
Théologie, Droit, Médecine, Inscriptions et Belles-Lettres (Philosophie,
Geschichte, Geographie, Philologie), 8ciences (Mathematik und Naturwissen-
schaften). Universität heisst in Frankreich die Vereinigung sämmtlicher vom
Staate abhängigen Unterrichtsanstalten, und kommt dieser Naine vorzugs-
weise bei der Beaufsichtigung und Verwaltung gur Anwendung. Außerdem
giebt es noch viele Specialschulen, wie die École des mines für den
ganzen Umfang der Bergwerkswissenschaften; die Ecole polytechnique
für Ingenieure u. s. w.; das Conservatoire des arts et métiers, wobei
technologische Vorlesungen gehalten werden. Napoleon I. führte diese Form
ein, gab aber allen Lyceen (Gymnasien) und Schulen eine so ausschließlich
militärische Einrichtung, daß man später davon abgehen mußte. Jetzt
ist Frankreich in so viel Académies getheilt, als es Appellationsgerichte
giebt, und an der Spitze jeder Akademie steht ein Rector als oberster Be-
amter fiir das gesammte höhere und niedere Uuterrichtswesen seines
Sprengels. Es ist überhaupt ein großes Unglück für Frankreich, daß bei-
nahe Alles, was es an bedeutenden Gelehrten und Schriftstellern besitzt,
alle wissenschaftlichen Institute, alle Sammlungen, alle. Bibliotheken, alle
Mittel zu einer höheren Bildung fast ausschließlich in Paris versammelt
sind; vergebens sucht man außerhalb Paris, selbst in bedeutenden Städten
mit seltenen Ausnahmen, Gelehrte oder wissenschaftliche Einrichtungen;
Alles drängt sich nach Paris. Nicht bloß ftemde Länder haben sich über
die Raubsucht der Franzosen zu beklagen gehabt, Frankreich ist im eigent-
lichsten Verstände an Schätzen der Kunst und Wissenschaft, an Gemälden,
Statuen, Manuscripten, Büchern, nur irgend beweglichen Alterthümern fast
ausgeplündert und Alles in Paris angehäuft. Kein Wunder, wenn dies
den Fremden durch seinen Reichthum und seinen Glanz blendet; die traurige
Unwissenheit und wissenschaftliche Dürftigkeit, die dafür fast im ganzen
übrigen Reiche herrscht, fällt aber dagegen uns um so mehr auf, so daß
es einzelne Departements giebt, in welchen die zum Militär einberufenen
Recruten oder die zur Trauung schreitenden Brautpaare fast zur Hälfte des
Lesens und Schreibens noch unkundig sind. Dies geht so weit, daß Wer-
ks nur irgend vermag, seine Kinder zur Erziehung nach Paris sendet.
Ebenso ist auch der Buchhandel fast einzig auf Paris beschränkt: alle Buch-
händler in den Provinzen sind fast ohne Ausnahme nur Krämer, welche
die von Paris erhaltene Waare, hauptsächlich billige Romanliteratur, ver-
einzeln. Natürlich zieht dieser Zustand der Dinge auch alle Künstler, alle
feineren Handwerker, vorzüglich alle diejenigen nach der Hauptstadt, welche
Gegenstände des Luxus und der Mode verfertigen, so daß man, im nördlichen
Frankreich wenigstens, alle diese Dinge, auch in der größten Entfernung,
aus Paris kommen läßt. Von großer Bedeutung ist die jährliche Ver-
sendung von Luxusartikeln, als Juwelierarbeiten, Uhren, Bronzeverzierungen,
Handschuhen, musikalischen Instrumenten, künstlichen Blumen und Putzsachen
aller Art, was man hier Articles de Baris nennt.
Von Paris gehen Eisenbahnen nach allen Hanptrichtungen, nach Ver-
sailles (2), nach Brest, nach Havre, nach Renues, nach Calais, nach
Brüssel, nach Straßburg, nach Marseille, nach Bordeaux, zur spanischen
Grenze und viele Dampfschiffe befahren die Seine.