1868 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde, Europa
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Ii. Frankreich.
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ausgezeichnete Talente gaben dem Fürsten Einfluß und Macht; ohne sie
war er nichts. Geordnete, erbliche Thronfolge und die heutigen Begriffe
von Herren und Unterthanen sind erst viel später entstanden. Ganz auf
ähnliche Weise bildete sich die Verfassung der Geistlichkeit. Die Erzbischöfe
und Bischöfe wurden von den Fürsten ernannt und belehnt, wie Herzöge
und Grafen, und mit gleichen Verpflichtungen, so daß sie nicht selten die
Kriegsdienste in Person leisteten. Unter ihnen stand die niedere Geistlich-
keit, wie die Freien unter den Edlen und Fürsten. Da sie aber die Ein-
zigen toaren, die in jenen Zeiten der Unwissenheit noch einige Kenntnisse,
wären es auch nur die des Lesens und Schreibens, bewahrt hatten, so
wurden sie bald den Fürsten unentbehrlich, ihre Rathgeber und Geschäfts-
führer und als die friedlicheren Anhänger der Fürsten ein wichtiges und
daher begiinstigtes Gegengewicht gegen den Trotz des Adels. Angelegenheiten
der Kirche und des Staats wurden sehr natürlich auf gemeinsamen Ver-
sammlungen abgemacht; daher die Anwesenheit der Fürsten und Edlen auf
Kirchenversammlungen und der große Einfluß der Geistlichkeit auf die öffent-
lichen Angelegenheiten jener Zeit. So bestand diese im Ganzen löbliche
Einrichtung bis ins 9. Jahrh., wo, nach dem Tode Karls des Großen,
von zwei Seilen her dies Gebäude erschiittert und ein wilder, gewaltsamer
Zustand herbeigeführt wurde. Von der einen wurden die Lehne nach und
nach erblich, und die großen Vasallen machten sich als eigene Fürsten
immer unabhängiger von den Königen; den kleineren und Freien blieb nichts
übrig, da die Könige sie nicht schützen tonnten, als sich unbedingt in die
Arme der Mächtigen zu werfen; sie wurden Leibeigene des Adels oder der
Geistlichkeit; die Freiheit verschwand, nur Adel und Geistlichkeit blieben frei,
alle übrigen freien Germanen und Provinzialen verschmolzen zu einem
Haufen niederer Leibeigenen, ein Unwesen der neueren Zeit, welches keines-
weges in der ursprünglichen Form der Lehns- oder Feudalverfassung be-
gründet war. Von der anderen Seite erhob sich, durch mancherlei Umstände
begünstigt, die Macht der Päpste, welche die Geistlichen als ihre natürlichen
Vasallen immer mehr an sich fesselten, bis es ihnen gelang, im elften und
den folgenden Jahrhunderten die bis dahin freiere Geistlichkeit gänzlich 311
unterdrücken und durch sie wiederum Fürsten und Völker zu beherrschen.
So zeigt uns das Mittelalter drei deutlich bezeichnete Perioden: von der
Völkerwanderung bis zum 9. Jahrh, die Blüthe der altgermanischen Lehns-
verfassuug; vom 9. bis zum 11. eine wilde, furchtbare Anarchie, wo die
Freiheit zu Grunde geht; vom 11. an die Herrschaft der Päpste, die, wie
man sie auch sonst beurtheilen mag, doch einige Ordnung nach und nach
wieder einführte und der rohen Willkür der Fürsten und des Adels einen
oft heilsamen Zaum anlegte. Das Streben nach Freiheit und das lang-
same Wiederaufblühen derselben ist die Geschichte von den Zeiten der Kreuz-
züge an bis auf die neueste Zeit. — Nach diesen allgemeinen, zum Ver-
ständniß der Geschichte aber nothwendigen Betrachtungen nehmen wir den
Faden der Begebenheiten wieder aus, wovon wir indeß nur die wichtigsten
Momente herausheben können.
Die große fränkische Monarchie unter Chlodowig setzte der Völker-
wanderung ein Ziel, aber innere Unruhen folgten aus seinen Tod (511).
Nach der Sitte der Zeit hatte er sein Reick unter seine 4 Söhne getheilt,