1869 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Europa
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
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A. Europa.
mentalbegleitung aufgeführt wird, deren schönsten, allbewunderten Theil das
Miserere (der 57. Psalm) von Allegri ausmacht, welches bei ausgelöschten
Lichtern in der Dämmerung von 32 Stimmen gesungen wird. Ebenso
ergreifend ist am Charfreitage während der Miesse der höchst einfache
Gesang, in welchem die ganze Passion nach den Worten Johannes vorge-
tragen wird. An beiden Tagen, am Donnerstag und Freitag, wurde früher
die ungeheure Peterskirche einzig von dem zauberischen Lichte eines großen,
von der Decke des Gewölbes gerade über den Hochaltar herabschwebenden,
mit vielen Lampen besetzten Kreuzes erleuchtet; die vielen Unordnungen aber,
welche die au sich so schöne und bedeutungsvolle Sitte herbeiführte, veran-
laßten den Papst Leo Xii., diese Erleuchtung 1824 zu verbieten. Ueber-
Haupt gehören die mancherlei kirchlichen Feierlichkeiten, welche in der Char-
woche, vom Palmsonntage bis zum Osterfeste theils in der Sixtinischen
und Paulinischen Capelle im Vatican, theils in der Peterskirche selbst
begangen werden, zu den bedelltsamsten und herrlichsten Gebräuchen der
katholischen Kirche, die nur durch die häufige Wiederholung und den Mangel
an Andacht bei dem schaulustigen Volke an Eindruck verlieren.
Hinter
dem vaticanischen Palast liegt ein stiller, wenig besuchter Garten und auf
der dem Vatican entgegengesetzten Seite der Peterskirche der Palast der
Inquisition. — Der zweite päpstliche Palast wird der Quirinal, von
dem Hügel, worauf er liegt, auch wohl Monte Cavallo (Pferdeberg)
genannt. Gregor Xiii. ließ ihn 1574 anlegen und viele der folgenden
Päpste haben daran gebaut, so daß er jetzt zwar einen großen Umfang,
aber wenig Uebereinstimmung der Theile zeigt. Wegen seiner gesunden
Lage auf einer Höhe und doch beinahe in der Mitte der Stadt ist er statt
des abgelegenen und ungesunden Vaticans die gewöhnliche Residenz der
Päpste. An Pracht- und Kunstwerken leidet er aber gar keinen Vergleich
mit dem Vatican; u. a. findet sich hier Thorwaldsens Alexanderzug, ein
Basrelief. Vor dem Palast stehen zwei kolossale Gruppen, wahrscheinlich
Castor und Pollux, jeder ein Roß bändigend, dargestellt, daher der Name
des Hügels und Palastes, und zwischen ihnen ein ägyptischer Granitobelisk.
Der weitläufige Garten hinter dem Palast ist zwar einfach, enthält aber
doch viele herrliche Antiken und Wasserkünste. — Der dritte ehemalige
päpstliche Palast, neben der Kirche St. Johann vom Lateran, welchen
Sixtus V. erbaut, ist 1839 hergestellt worden und enthält ein Museum
und Kunstgegenstände. In der Nähe des Quirinals liegen die Kirchen
8. Andrea, delle Fratte, worin Zoega und Angélica Kaufmann begraben
sind, und 8. Antonio, wo im Januar die Thiere durch Weihwasser ein-
gesegnet werden.
Nirgend ist der Gegensatz des alten und neuen Rom
auffallender, nirgend die Ueberbleibsel der ehemaligen Herrlichkeit mehr zu-
sammengedrängt, als auf dem Capitol und dem Forum romanum, dem
Mittelpunkt alles Lebens und alles Verkehrs im alten Rom. Das Ca-
pitol, jetzt il Campidoglio, das Heiligthum und die Burg der alten
Stadt, nahm den Gipfel des capitolinischen Berges unweit der Tiber ein;
hier waren auf einem kleinen Raum mehrere Tempel, vorzüglich der des
Jupiter, und die eigentliche Burg, letztere mit dem tarpejischeu Felsen,
von welchem man Verbrecher herabstürzte, zusammengedrängt, und von seiner
ansehnlichen Höhe führten steile Wege und Treppen nach dem unten das