1869 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde, Welt
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Ii. Arabien.
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Lehren hatte er theils mündlich, theils durch einzelne, in halb dichterischer
Sprache abgefaßte kleine Abhandlungen, Suren genannt, verbreitet, worin
er, wie irgend eine äußere Veranlassung ihn aufforderte, Vorschriften gab
über Reinigungen, Gebete, Fasten, über die Ehe, Entscheidungen über ein-
zelne gesetzliche Fragen ertheilte oder die Andersglaubenden bekämpfte. Diese
zu verschiedenen Zeiten und bei ganz verschiedenen Veranlassungen er-
schienenen Aufsätze und Vorschriften wurden damals nur auf Palmblätter,
Leder, Schulterknochen von Thieren u. dgl. geschrieben (ob Muhammed
selbst hat schreiben können, ist ungewiß), aber erst nach seinem Tode ge-
sammelt, und bilden nun das Gesetzbuch der Muhammedaner oder den Koran.
Später wurden noch viele Sentenzen, Belehrungen, Entscheidungen Muham-
meds, Züge ans seinem Leben u. s. w. gesammelt, und diese bilden die
muhammedanische Tradition oder Sunna, deren Inhalt von den Sunniten
dem Koran beinahe gleich geachtet, von europäischen Gelehrten aber jenem
Buche an geistigem Inhalt selbst vorgezogen wird. Muhammed hinterließ
von seinen zahlreichen Weibern nur eine Tochter am Leben, Fatima, die
Gemahlin Alis; doch nicht dieser, sondern Abubekr, der Vater Ajeschas, der
Wittwe Muhammeds, ward zum Chalisen, Nachfolger oder Stellver-
treter des Propheten, erwählt. Er herrschte nur ein Jahr, doch ward
unter ihm schon die Eroberung Syriens angefangen. Sein Nachfolger war
Omar, ein anderer Schwiegervater des Propheten, welcher bis 640 nicht
allein ganz Syrien mit Jerusalem, sondern auch noch Aegypten eroberte;
er nahm den Titel Emir al Mnmenin, d. h. Fürst der Gläubigen, an,
und ward 643 von einem Sclaven ermordet. Unter seinem Nachfolger
Osman, einem Schwiegersöhne des Propheten, ward Persien und die ganze
nordafrikanische Küste bis Ceuta erobert; Osman aber kam 654 in einem
Aufstande um. Nun endlich ward der geliebtere Schwiegersohn Muham-
meds, Ali, zum Chalifen erwählt; aber schon war die Eintracht unter den
Arabern verschwunden, und Ali hatte während seiner kurzen Regierung mit
vielen empörten Statthaltern zu kämpfen, bis er 660 ermordet ward. Er
ist es, den die Schiiten für den ersten und einzig rechtmäßigen Chalifen er-
kennen. Sein Nachfolger ward der bisherige Statthalter von Damask,
Moawijah I., aus dem Geschlechte der Omajjaden; er verlegte den Sitz
des Reichs, wofür bisher Medina gegolten, nach Damask und versuchte
schon 660, Constantinopel, wiewohl 'vergeblich, durch eine Flotte anzugreifen.
Nach seinem Tode entstanden blutige Unruhen und Spaltungen über die
ahl eines Chalifen; Alis Sohn, Husein, ward zwar von einer Partei
erwählt, aber bald verrätherisch ermordet; andererseits kamen auch alle
Omajjaden, mit Ausnahme zweier, in diesen Kriegen um. Der eine, Ab-
durrahnckn, floh nach Spanien und gründete dort das lange blühende Cha-
lifat der Omajjaden zu Cordova; der andere zog sich nach Arabien zurück,
wo sein Geschlecht sich bis ins 16. Jahrhundert erhalten haben soll. Schon
eines Jahrhunderts darauf reicht Arabien mit einer Hand nach Granada, mit der
anderen nach Delhi. Strahlend in Tapferkeit, Herrlichkeit und hellleuchtendem Genius
glänzt Arabien lange Jahrhunderte über einen großen Theil der Welt. Glaube ist
groß, beseligend. Der große Mensch ist immer wie ein Blitz vom Himmel; die übrigen
Menschen warten auf ibn gleich Brennstoff, und dann flammen sie auf."