1855 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Der Anfang der Regierung Karls Iv. ist durch grauenvolle Natur-
ereignisse merkwürdig geworden. Schon 1338 war der Osten Europas
bis nach Oesterreich und Schlesien von ungeheuern Heuschreckenschwärinen
verheert worden. Jetzt im Jahre 1348, kam ein großes Erdbeben
über ganz Europa, das sich mehrere Male wiederholte, ganze Städte
in Schutt verwandelte und die Bewohner begrub. Im folgenden Jahre
kam über Italien nach Deutschland, Frankreich, England u. s. w. eine
furchtbare Pest, der schwarze Tod, der Tausende von Geschlechtern ver-
tilgte, und an vielen Orten nur den zehnten Menschen übrig ließ. Viele
schrieben die Ursache dieses ungeheuern Sterbens den Juden zu, als
hätten sie die Brunnen vergiftet, die Christenheit auszurotten. Dieses,
in alle Länder zerstreute Volk war überall der Gegenstand des Hasses
und oft der grausamsten Verfolgung in jenem zum Fanatismus geneig-
ten Zeitalter und in Zeiten besonderer Aufregung z. B. während der
Kreuzzüge, und auch damals war die Mordwuth an ihnen so gewaltig,
daß geistliche und weltliche Fürsten nur mit großer Anstrengung sie bän-
digen, und einige armselige Ueberbleibsel retten konnten. Zu Straß-
burg und München hatte man die ganze Judenschaft in die Synagoge
getrieben und mit derselben verbrannt. Andre erkannten in den Er-
eignissen gerechte Strafgerichte Gottes um ihre Sünden, und es ent-
stand die Schwärmerei der Geißler (Flagellanten), die auch bald so
ausartete, daß Papst und Kaiser gemeinsain Hand anlegten, sie gänz-
lich zu unterdrücken.
§. 81. Der falsche Waldemar in Brandenburg.
Zu diesen allgemeinen Landplagen kam für Brandenburg noch
ein verheerender Bürgerkrieg. Ein Pilger erschien 1348 in der Mark
und gab sich für den vor 30 Jahren verstorbenen Waldemar aus.
Die Fürsten des anhaltinischen Hauses, der Erzbischof von Magdeburg,
und selbst Kaiser Karl erkürten seine Aussagen für ächt, und boten
Alles auf, ihm Eingang zu verschaffen. Wohin er kam, zog man ihm
wie einem Heiligen mit Fahnen, Kreuzen und Lichtern entgegen, denn
der Papst ertheilte allen seinen Freunden Vergebung der Sünden. Alle
Städte, bis auf Frankfurt, Spandau und Brietzen (Treuenbrietzen),
fielen ihm zu, der Adel größtentheils. Brandenburg war für Bayern
verloren, da gelang es Ludwig, dem Karl in Günther den Gegenkönig
zu setzen, und dessen Streitmacht aus dem Lande zu entfernen. Und
ob auch Günther bald darauf starb, so hielt es doch Karl, der kein
Kriegsmann, dagegen um so mehr Staatsmann war, für klug, sich mit
Ludwig zu verständigen, und den Waldemar seinen näheren Freunden
zu überlassen. Auch diese traten Einer nach dem Andern zurück, als
dieser Waldemar auf den Reichstag zu Nürnberg vorgeladen worden,
um seine Aechtheit zu erhärten, und nicht erschienen war, und nun der
Kaiser die Brandenburger ihres Eides gegen ihn für ledig und zum
Gehorsam gegen das bayrische Haus verpflichtet erklärt hatte (1350).
Nun gelang es dem Markgrafen Ludwig, die Unterthanen durch Gewalt
und Güte zur Unterwerfung zu bringen. Anhalt aber und das Erz-