1855 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Alterthums und auch das Neue Testament, die man nur noch in schlechten
lateinischen Uebersetzungen kannte, wieder in der Ursprache lesen. Auch
aus Deutschland wanderten wißbegierige Männer hin, um sich von ihnen
unterrichten lassen, und wenn auch die Einen über der Herrlichkeit der
altgriechischen Geistesschätze das Christliche verachten lernten, so schöpften
doch die Andern aus der reinen Urquelle des Christenthums Erkenntniß
und Bewunderung der durch Menschensatzungen unkenntlich gewordenen
apostolischen Kirche und Lehre. Vielen gingen die Augen auf, und die
Wiederherstellung der Wissenschaften bahnte den Weg zu einer
wahrhaften Reformation. Das Bedürfniß und die Kunst zu lesen
und zu lernen wurde allgemeiner, und es entstanden christliche Schu-
len jeden Ranges und für alle Stände. Die Morgenröthe des
neuen Tages brach an.
§. 95. Der Fall des burgundischen Hauses.
Zwischen Frankreich und Deutschland hatte sich unter Fürsten vom
französischen Königsgeschlechte aus Theilen des burgundischen Reiches,
sowie aus französischen und deutschen Lehnsländern, die etwa die heutigen
Königreiche Belgien und Holland begriffen, das Herzogthum Bur-
gund gebildet. In diesem Lande blühten Handel und Gewerbe, Künste
und Wissenschaften, aber auch Bürgcrstnn und Freiheit, und seine Be-
herrscher waren reiche und mächtige Herren. Herzog Karl der Kühne,
ein Mann von gewaltiger Tapferkeit und ungemeßnem Stolze, trachtete
darnach, ein Königreich zu gründen, vielleicht init den Grenzen des alten
lotharingischen Reiches, von der Nordsee bis zum Mittelmeer. Die
Ausführung dieses Plans wäre sowohl für Frankreich als für Deutsch-
land gefährlich gewesen, besonders für dieses, da der schlaue König
Ludwig Xi. anders auf seiner Hut war, als der schläfrige Kaiser
Friedrich Iii. Diesen hätte Karl beinahe bewogen, ihn zum Verweser der
überrhcinischen Provinzen und zum König von Burgund zu machen;
die Krönungskleinodien hatte er mit nach Trier gebracht; dafür sollte
des Kaisers Sohn Max seiner Tochter Maria Gemahl werden; noch
am Abend vor der beabsichtigten Krönung entwich der von Ludwig ge-
warnte Kaiser aus der Stadt (1473). Sich für einen solchen Verdruß
zu rächen, erschien er (1474) vor Neuß mit 60,000 Mann und vie-
lem Geschütz; aber die tapfern Bürger schlugen 50 Stürme ab, bis
endlich der Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg an der
Spitze eines Reichsheeres der bedrängten Stadt zu Hülfe kam, und er
mußte nach großem Verluste abziehen. Darauf wandte er sich gegen
die Schweizer, die, im Bunde mit Oesterreich, ihn schwer beleidigt
und, nachdem Frankreich Hülfsgelder zugesagt, ihm Fehde angekündigt
hatten. Zwar eroberte er Lothringen; aber in den Schlachten bei
Granson und Murten 1476 verlor er seinen Ruhm, und in der
Schlacht bei Nancy 1477 Sieg und Leben. Er hinterließ nur jene
20jährige Maria, die sich, um der zu allem Bösen fähigen Arglist
des Franzosenkönigs zu entrinnen, mit dem 19jährigen Erzherzoge Max
vermählte. So brachte des burgundischen Hauses Fall dem Hause