1855 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
92
§. 117. Karls V. Abdankung. Kaiser Ferdinand 1.
Karl hatte nach einer mühevollen Laufbahn von 35 Jahren mit
allen! Aufwande von Klugheit und Arbeit nur Weniges erreicht, worauf ,
er mit Zufriedenheit Hinblicken konnte. Müde, mißmuthig und kränklich
legte er zu Brüssel 1555 die Regierung seiner Erblande in die Hände
seines Sohnes Philipp, des Gemahls der Königin von England, der
„blutigen" Maria, nieder, und 1556 die Kaiserkrone, die sein Bruder
Ferdinand entgegennahm. Dann zog ersieh in das spanische Kloster
St. Just zurück, wo er sich mit Gartenbau, mechanischen Arbeiten und
Andachtsübungen beschäftigte, und 1558 starb.
„Seht den Todten I Wie von welkem Blute
Schlingt ein rother Reif sich um sein Haupt;
Ob einst drauf zur Buß' ein Dornkranz ruhte?
Nein, die Krone lag auf diesem Haupt!
Kaputze zieht ein Mönch ihm
jetzt übers Auge zu,
Daß die böse Spur der Krone
Drin verhüllt verborgen ruh'."
Ferdinand I., Erzherzog von Oesterreich, König von Böhmen und
Ungarn, war ein sanfter, verständiger Mann, ein Herrscher, wie ihn
seine Zeit voll Spaltungen und Erbitterung bedurften. Daß ihn der
Papst nicht anerkennen wollte, weil Karl ohne dessen Einwilligung ab-
gedankt habe, kümmerte ihn nicht; und dessen Krönung begehrte er
nicht, wie denn kein Kaiser mehr einen Nömerzug gemacht, und kein
regierendes Haupt sich herabgelassen hat, des Papstes Fuß zu küssen.
Die Reformation hat auch die katholischen Herrscher von der päpstlichen
Oberhoheit befreit, den Papst in seine geistlichen Schranken zurückge-
wiesen, und Bann und Interdikt kraftlos gemacht. Ferdinand ließ es
auch geschehen, daß die Protestanten sich den streng römischen Satzungen
des tridentin er Concils, welches mit einigen Unterbrechungen von
1545 bis 1563 gedauert hatte, nicht fügten. Er verschied 1564, im
62. Jahre seines Alters.
8. 118. Maximilian H., 1565 — 1576.
Maximilian, Ferdinands ältester Sohn, ein niilder, duldsamer,
einsichtsvoller und thätiger Fürst, gab trotz der Einreden des Papstes
und der Bischöfe und der Vorstellungen seines Vetters Phi-
lipp Ii. von Spanien den österreichischen Protestanten freie Reli-
gionsübnng, wodurch die Reformation dort bedeutende Fortschritte machte,
so daß die Mehrzahl des Adels evangelisch wurde. Ueberhaupt bekannte
sich die große Mehrzahl der Bewohner Deutschlands zur Reformation.
Aber ihren Siegeslauf hemmte die Uneinigkeit in ihrer Mitte; Lutheraner
und Reforinirte befehdeten sich mit der feindseligsten Bitterkeit, und
wieder innerhalb des Lutherthums gab es eine strenge (orthodoxe) und
eine milde (melanchthonianische) Fraktion, die sich schroff gegenüber-
standen; dazu mancherlei Sekten. Diese inneren Kriege benutzte der
Jesuitenorden, gestiftet 1540 von dem Spanier Ignaz von Loyola
zur Vertilgung der Ketzerei, der sich eben jetzt mächtig in Deutsch-