1855 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Franzosen besetzten preußischen Festungen nahm viele Tausende in An-
spruch, und der Verbündeten Aufforderung an die deutschen Fürsten, dem
Rheinbund zu entsagen und sich an die Sache der Freiheit anzuschließen,
hatten nur der Herzog von Mecklenburg-Schwerin und der Herzog
von Anhalt-Dessau entsprochen. Nach manchen siegreichen Gefechten
standen am 2. Mai 80,000 Preußen und Russen unter dem Oberbe-
fehl des Grafen Wittgenstein bei Großgörschen (Lützen), 120,000
Franzosen, Rheinbündlern, Polen und Italienern unter Napoleons Kom-
mando gegenüber. Das war die erste Freiheitsschlacht, und Napoleon er-
kannte, daß er es mit andern Leuten zu thun hatte, als bei Jena und
Austerlitz. Die Preußen fochten auf ihr Verlangen in erster Linie,
unter ihnen ihr jugendlicher Kronprinz. Von Mittag bis an den späten
Abend wogte die Schlacht hin und her, und der Sieg blieb unent-
schieden. Auf unsrer Seite lagen 10,000, von feindlicher 15,000 auf
dem Schlachtfelde todt oder verwundet; wir hatten keine Kanone, keine
Fahne verloren, aber unter den schwer Verwundeten war unser
Scharnhorst. Er ließ sich nach Prag bringen, um noch sterbend für
des Vaterlandes Heil zu arbeiten.
„In dem wilden Kriegestanze
Brach die schönste Heldcnlanzc,
Preußen, euer General.
Lustig auf dem Feld bei Lützen
Sah man Freihettswaffcn blitzen,
Doch ihn traf des Todes Strahl."
„Ewig wird im Volk er leben, fester als in Stein und Erz."
Die Verbündeten zogen sich in vollkommener Ordnung zurück, vom
Feinde ungestört, bis nach Bautzen. Da geschah am 21. Mai mit
Tagesanbruch die zweite Freiheitsschlacht, unser 95,000 gegen 148,000
Napoleons. Abermals schrieb sich Napoleon den Sieg zu, aber einen
Sieg, der ihm 30,000 Mann kostete, das heißt doppelt so viel als
den Gegnern, und keine Gefangene, keine einzige erbeutete Kanone ein-
brachte. Landwehr und Linie, Russen und Preußen wetteiferten in
todverachtendem Heldenmuth, und die verwegensten Thaten geboten dem
Feinde Achtung und ängstliche Vorsicht bei der Verfolgtlng. Der Rück-
zug ging seltsamer Weise nicht auf Berlin, auch nicht auf Breslau,
sondern auf Schweidnitz zu, wo man ein verschanztes Lager bezog, und
wegen eines Waffenstillstandes Unterhandlungen anknüpfte. Ein
Waffenstillstand war beiden Theilen willkommen, um frische Streitkräfte
an sich zuziehen. Und neben dem Kriegsschauplätze stand Oesterreich
in voller Rüstung, und wie die Verbündeten hofften, es werde auf die
Seite der Freiheit treten, so Napoleon, Kaiser Franz werde seiner
Blutsverwandtschaft mit ihm eingedenk sein. Arn 7. Juni wurde der
Waffenstillstand auf 7 Wochen abgeschlossen, und später bis zum 10.
August verlängert. Die Kunde davon machte auf Preußens Heer und
Volk einen schmerzlichen Eindruck; man wollte Kampf und nicht Ruhe;
man fürchtete, Napoleons List möchte einen Frieden ohne Ehre und
Freiheit erwirken, oder gar die Bundesgenossen zertrennen und der