1855 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
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blutigen Absichten. Zuerst brach es iu Dresden los. Der 3.—6.
Mai waren Schreckenstage für diese Stadt. Der König flüchtete nach
dein Königstein. Das Blut floß in Strömen. Die zeitig herbeige-
eilten preußischen Truppen errangen nach ungeheuren Anstrengungen den
Sieg. Der Gerettete hat es später dem Netter schlecht vergolten. Auch
in einigen preußischen Städten mußte das Militär die Anarchie über-
wältigen.
Am schlimmsten ging es in Baden her und in Nheinbayern.
Beide Länder waren schon lange revolutionär gestimmt, und fort und
fort von Demokraten unterwühlt worden. Polnische und französische
Flüchtlinge hatten sie zu ihrem Sammelplatz gewählt. Jetzt gelang es
ihnen, auch das Militär zum Abfall zu verführen. Zwei bayrische
Regimenter traten zu ihnen über, und die Besatzung von Rastadt lie-
ferte den Rebellen diese wichtige Reichsfestung in die Hände. Der
Großherzog flüchtete nach Frankfurt, und als er bei der Reichsgewalt
kräftige Hülfe zu finden nicht hoffen durfte, wandte er sich an den
König von Preußen; ein Gleiches that der König von Bayern. So-
gleich brachen preußische Truppen, Linie und Landwehr, unter dem
Oberbefehl des ritterlichen Prinzen von Preußen in die insurgirten
Länder ein (13. Juni). Da hatte sich indeß eine provisorische Regie-
rung constituirt, und dem Polen Mieroslawski war der Oberbefehl
über „die Vertheidiger der deutschen Reichsverfassung" übergeben wor-
den. Schnell hatten die Preußen die Rheinpfalz gesäubert, Landau
entsetzt; dann gingen sie über den Rhein, siegten beb Waghäusel,
vereinigten sich mit den Reichstruppen unter dem preußischen General
Peucker; Rastadt mußte sich auf Gnade und Ungnade ergeben, und die
Reste der Freischärler stoben nach allen Seiten auseinander. Der
Großherzog kehrte in seine Residenz zurück, lind die Preußen wurden
überall als die Retter willkommen geheißen.
Nicht ein geringer Theil der Schuld an allen diesen unseligen
Ereignissen lastete auf der deutschen Nationalversammlung. Deßwegen
befahlen Oesterreich, Preußen und andere Regierungen ihren Abgeord-
neten den Austritt; am 28. Mat bestand sie nur noch aus 100 Mit-
gliedern. Der Neichsverweser ging nach Tyrol. Das durch und durch
ultrademokratische „Rumpfparlament" siedelte nach (Stuttgart über, wählte
aus seiner Mitte eine Reichs-Regentschaft von 7 Personen, sah
aber schon nach wenigen Tagen sein Sitzungslokal geschlossen und sich
genöthigt, Würtemberg zu verlassen. Seine Mitglieder lebten, nachdem
in Baden ihr letzter Hoffnungsstern untergegangen, als Verbannte in
fremden Ländern. Die deutsche Nationalversammlung, die so gewaltig
und verheißungsvoll begonnen, nahm solch ein klägliches und schmach-
volles Ende! —
§. 192. Dreikönigsbündnist. Unionsparlament in Erfurt.
Der König von Preußen hatte inmittelst einen andern legitimeren
Weg eingeschlagen, Deutschlands Einigung herbeizuführen, so weit sie
thunlich erschien. Am 26. Mai hatte er mit den Königen von Han-