1855 -
Essen
: Bädeker
- Autor: Bender, Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
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nover und Sachsen einen Bund geschlossen, und alle drei forderten
die übrigen deutschen Mächte auf, sich mit ihnen zur Vereinbarung
einer Bundesverfassung unter Preußens erblicher Ober-
hoheit zu vereinigen (Union). Nur an Oesterreich war diese Ein-
ladung nicht gerichtet, weil man voraussetzte, es werde vorziehen, als
ein ganz unabhängiger Staat mit dein deutschen Bundesstaate in ein
ewiges und inniges Bündniß zu treten. Die große Mehrzahl der
kleinen Fürsten leistete der Aufforderung Folge; aber Bayern und
Würtemberg wollten keine preußische Oberhoheit, uitb, von Oesterreich
unterstützt, gelang es ihnen sogar, Hannover und Sachsen der Union
abwendig zu machen. Wie viel weniger hätten sie Preußens Kaiserthum
gutwillig anerkannt!
Dennoch setzte Preußen seinen Weg fort. Es glaubte dabei auf das
Vertrauen aller aufrichtigen Freunde eines freien Staatslebens in Deutsch-
land rechnen zu dürfen. Hatte ja doch der König die mit den Kammern
vereinbarte, höchst freisinnige Verfassung mit einem öffentlichen feier-
lichen Eide am 6. Febr. 1850 beschworen. Am 20. März 1850
wurde zu Erfurt das erste Parlament der Union, „der erfurter Reichs-
tag", bestehend aus Abgeordneten der Regierungen und des Volkes,
unter dem Vorsitz des Generals von Radowitz, des Stifters der
Union, eröffnet, und dann eine Reichsverfassung zu Stande gebracht,
die im Allgemeinen ganz vortrefflich war, allein selbst von manchen
Unionsgenossen für unausführbar gehalten wurde, namentlich von Kur-
hessen. Oesterreich, das Preußens Vorgang nicht dulden mochte, lud
nun zu einer außerordentlichen Plenarversammlung des Bundes nach
Frankfurt ein. Dagegen hielt Preußen (9.-16. Mai) einen Für-
st encongreß in Berlin, und veranlaßte die Einsetzung eines provi-
sorischen Fürsteneollegiums. Hierauf empfahl Oesterreich die Rückkehr
zum alten Bundestage, und stellte dessen Wiedereröffnung auf den
1. Sept. fest. Die Spannung zwischen Oesterreich und Preußen nebst
ihrem Anhange wurde täglich größer, und am 11. Oct. schlossen Oester-
reich, Bayern und Würtemberg zu Bregenz ein Schutz- und Trutz-
bündniß wider die Union!
§. 193. Deutschlands Verhältnisse zu Frankreich,
Italien, Ungarn.
Es war ein großes Glück für unser zerrüttetes Vaterland, daß
Frankreich in dieser Zeit mit sich selbst genug zu thun hatte, und
daß seine Gewalthaber wirklich friedfertig gegen uns gesinnet waren.
Dort herrschte große Noth, und die sogenannten arbeitenden Klassen,
deren Werk eigentlich die Republik war, und die davon Verbesserung
ihrer Zustände erwartet hatten, sahen sich völlig getäuscht. Sie hatten
weniger eine veränderte Staatsform, als eine sociale Revolution im
Sinne des Communismus beabsichtigt, und die Nationalversammlung
nahm dagegen das Eigenthum in Schutz. Nach mehreren Versuchen,
die Negierung zu stürzen, nahmen sie am 23. Juni 1848 einen furcht-
baren Anlauf. Die Regierung macht den General Cavaignac zum