1868 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Stacke, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
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Zweite Periode der neueren Geschichte.
Montespan eine Pension vom Hofe verschaffte. Zwei Jahre später
ward sie Erzieherin der königlichen Kinder. Der König war ihr an-
fangs wegen ihres religiösen Eifers abgeneigt; allein die Liebe und
Anhänglichkeit, welche sie jederzeit ihren Pfleglingen erwies, rührten
den König so sehr, daß er ihr 100,000 Livres schenkte, wofür sich
die Wittwe Scarrons 1674 das Gut Maintenon kaufte, nach welchem
sie sich nun nannte. Von Tag zu Tag stieg sie in der Gunst des
Königs, welchem die Launenhaftigkeit der Montespan unerträglich war,
und der die sanfte, bescheidene und geistreiche Frau von Maintenon
nun zu seiner Vertrauten machte. Diese beschloß nun, den König zu
Gott zurückzuführen, redete ihm freundlich von seinen Pffichten und
gewann dadurch sein Herz. Zunächst erreichte sie es, daß der König
mit der Montespan brach, alle Gunst ihr zuwandte und sie zur
Hofdame des Dauphin erhob. Er kannte kein größeres Vergnügen,
als sich Stunden lang mit ihr zu unterhalten, und da 1683 seine
rechtmäßige Gemahlin Marie Therese gestorben war, so vermählte er
sich heimlich 1685 mit ihr. Frau von Maintenon erlangte nun einen
unbedingten Einfluß auf alle Angelegenheiten, setzte es durch, daß bei
den Hoffesten Sitte und Anstand gewahrt wurden, und veranlaßte den
König zur Frömmigkeit und zu Werken der Mildthätigkeit. So ent-
warf sie den Plan zu einer Anstalt für uubegüterte Mädchen der
höheren Stände. Auf ihre Bitten stiftete Ludwig Xiv. in der Abtei
von St. Cyr unweit Versailles ein Institut, in welchem 250 Mädchen
von 36 Nonnen und 20 Laienschwestern unentgeldlich erzogen, unter-
richtet und beim Austritte mit 1000 Thalern ausgestattet wurden.
Diese Bildungsschule erhielt ihre ganze Einrichtung von Frau von
Maintenon, und als der König ihr öffentlich alle Rechte und Ehren
einer Stifterin zuerkannt hatte, sandten die Mädchen ihrer Vorsteherin
ein goldenes mit Lilien bestreutes Kreuz zu, in welches die Worte ge-
stochen waren:
Elte est notre guide fidèle
Notre félicité vient d’Elle.
„Mein Trost ist St. Cyr!" sagte Frau von Maintenon sehr häufig;
dort fühlte sie sich am glücklichsten.
Die mächtige, hochgeehrte Frau konnte es aber nicht erreichen,
daß der König seine Vermählung mit ihr veröffentlichte. Sie verließ
daher selten das Schloß Versailles; der König und die ganze königliche
Familie bewiesen ihr eine Ehrfurcht, wie sie die Königin nie genossen
hatte. Dabei blieb sie bescheiden und anspruchslos. Oft arbeitete
der König mit seinen Ministern in ihrem Zimmer, während sie las.