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1. Geschichte der neueren Zeit - S. 210

1868 - Mainz : Kunze
210 Zweite Periode der neueren Geschichte. ruhender, aus verschiedenen Stockwerken bestehender und gepuderter, mit Blumen, Federn und Bändern verschwenderisch gezierter Haarthurm, welcher die natürliche Größe der Frauen bedeutend hob*). Der Fuß ward durch ein zollhohes, an der Sohle des seidenen Ballschuhes an- gebrachtes Stelzchen genöthigt, auf der Spitze zu schweben. Das aus Fischbeinstäbchen haruischartig zusammengefügte, fest angelegte Corset schnürte die Taille über den Hüften wespeuartig zusammen. Ueber den weitschweifigen Reisrock floß ein mit tausend Falten garnirtes Seidengewand und über dieses das mit einer Schleppe versehene Ober- kleid von gleichem Stoss, welches zu beiden Seiten mit reichem Besätze geschmückt war und vorn aus einander siel. Die Aermel desselben waren mit Blonden reich besetzt und reichten bis zum Ellbogen; lange, parfümirte Handschuhe deckten die Vorderarme. Die Schminkkunst war rafsiuirt ausgebildet, jüngeren Leuten aber an manchen Orten durch die Sitte untersagt. Dabei führten die Damen elegante Perlemutter- döscheu, die einen Vorrath von schwarzen, englischen Schönheitspfläster- chen enthielten. Diese wurden in Gestalt von Sternchen und Herzchen auf Wange und Kinn geklebt und sollten die fehlenden Grübchen er- setzen oder den Ausdruck des Mieneuspiels erhöhen. Das gesellige Leben der bürgerlichen Kreise bewegte sich in den strengen Formen herkömmlicher Sitte. Es war unmöglich, daß eine Frau ungenirt öffentlich erschien. Keine Frau konnte ohne männliche Begleitung im Theater, auf Bällen oder Spaziergängen erscheinen; es galt sogar für unanständig, ohne Kammermädchen über die Straße, zur Kirche, auf den Markt oder in einen Kaufladen zu gehen. Man setzte die Bestimmung der Frauen und Töchter bürgerlicher Familien in der treuen Führung des Hauswesens, und was damit nicht in Verbindung stand, ward nicht geliebt. Man sah es ungern, wenn Frauen und Töchter bürgerlicher Kreise sich mit Lektüre befaßten, verlangte strenge Unterwürfigkeit unter die Anordnungen des Hausvaters, und auch die Brüder übten den Schwestern gegenüber eine gewisse Oberhoheit aus. Daraus ist es bei dem Mangel guter Mädchenschulen auch sehr erklär- lich, daß die Bildung der Frauen nicht hoch stand, aber dieser Mangel wurde durch einen guten Mutterwitz und natürliche Heiterkeit genugsam ausgewogen. Nur wenige Frauen jener Zeit haben sich auf dem Ge- biete der Kunst und Wissenschaft bemerkbar gemacht; wir nennen von *) Fontangen nannte man diese abscheuliche Frisur nach ihrer Erfinderin, dem Fräulein von Fontanges (S. 198).
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