1868 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Stacke, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Von der ersten französischen Revolution bis zur Gegenwart.
später aber aus Argwohn sich veranlaßt gefunden, diese Begünstigungen
wieder zurückzuziehen und die russischen Beamten zu einer strengen
Amtsführung aufzufordern. Der Viceköuig von Polen, Großfürst Con-
stantin, regierte mit Strenge und verfolgte die Unzufriedenen mit un-
nachsichtlicher Härte. Die Polen hofften auf Hülfe von Frankreich und
ergriffen die Waffen. Am Abend des 29. Nov. drangen zu Warschau
20 bewaffnete Zöglinge der Kadettenschule in den Palast des Groß-
fürsten, andere riefen die Bevölkerung der Hauptstadt zu den Waffen.
Mit Mühe rettete sich Constantin und zog sich mit den russischen Be-
amten und Soldaten zurück. Die Nevolution war gelungen. Allein
statt rasch zu handeln, begann man erst zu überlegen, was für die
Zukunft Polens das Beste sei; die Meinungen waren sehr getheilt.
General Chlopicki übernahm die Leitung der Angelegenheiten, obwohl
er der von dem Volke ausgegangenen Bewegung nicht hold war, und
übernahm, um Unordnungen vorzubeugen, die Diktatur, sandte eine
Deputation nach St. Petersburg und ließ dem Kaiser Unterhandlungen
anbieten. Allein diese wurden zurückgewiesen; Chlopicki legte seine
Diktatur nieder, und Fürst Nadziwill übernahm den Oberbefehl. Ein
Beschluß des Reichstags entschied den vollständigen Bruch mit Rußland.
General Diebitsch rückte bereits mit einem ungeheuren Heere gegen von den Rust
die Polen vor und überschritt ungehindert die polnische Grenze. Die ^Zm'acht^un'
Polen fochten in allen Schlachten mit einer bewundernswürdigen Tapfer- temüdt.
feit und blieben mehrere Male Sieger; der verwundete Chlopicki trat den
Oberbefehl an Skrzynecki ab, welcher in der mörderischen Schlacht
von Ostrolenka besiegt wurde. Auch der tapfere General Dweruicki,
welcher nach Volhyuien vorgedrungen war, um die Revolution in die
ehemaligen russischen Provinzen zu tragen, ward genöthigt sich auf
östreichisches Gebiet zu flüchten. Zwietracht, Verrath und leere Ver-
tröstungen auf französische Hülfe schadeten der polnischen Erhebung so
sehr, daß an ein Gelingen nicht mehr zu denken war. General Die-
bitsch und Großfürst Constantin erlagen nebst vielen Tausenden des
russischen Heeres der damals wüthenden asiatischen Cholera, und Fürst
Paskewitsch, welcher im Kriege mit Persien und mit der Türkei be-
deutende Erfolge erkämpft hatte, übernahm den Oberbefehl. Skrzynecki
hoffte noch immer auf Hülfe von Frankreich oder England, hinderte
den Uebergang der Russen über die Weichsel nicht und zog sich fechtend
vor der Uebermacht zurück; er mußte seinen Oberbefehl einstweilen an
den General Dembiuski abtreten. Mißtrauen und Zwietracht herrschte
in der Hauptstadt und in dem Heere der Polen. In Warschau regte
ein Iakobinerklub den Pöbel zu gräßlichen Mordscenen auf und ver-
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