1867 -
Mainz
: Kunze
- Autor: Stacke, Ludwig
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Von der Begründung des päpstlichen Uebergewichtes rc.
163
hatte sich von Anfang an die Aufgabe gestellt, die Kirche, die Frauen
und alle Schutzbedürftigen zu schirmen. Zwar war der einzelne Ritter-
allen Frauen zum Dienst verpflichtet; allein vorzugsweise weihte er sich
einer Frau, begab sich in ihren Dienst und suchte durch Treue, Gehorsam
und Kühnheit ihre Gunst zu erringen. Die Frauen wurden dadurch
Gebieterinnen, Herrinnen der Ritter. Ehe ein Ritter einer Dame seine und erhebt
Dienste anbieten konnte, mußte er sich einer Prüfungszeit unterwerfen, ///f ¿'em
welche die Dame nach Gutdünken verlängern durfte. Manchmal dauerte Mittelpunkt
dieselbe 5 Jahre. Hatte der Ritter diese Zeit glücklich überwunden/
so ward er der Vasall seiner Dame und Herzenskonigin, welche ihn
mit allen üblichen Ehren in den Dienst aufnahm. Der Ritter ließ
sich aus ein Knie nieder, begehrte mit gefalteten Händen den Minne-
dienst antreten zu dürfen und gelobte Treue. Gewöhnlich erfolgte die
Einwilligung der Dame, und ein Ring besiegelte die eingegangene Ver-
bindung. Der Gebrauch, welcher hie und da bei der Aufnahme in
den Ritterstand geübt wurde, die Haare zu scheeren, wurde auch manch-
mal beim Eintritt in den Minnedienst geübt. Der Ritter trug nun-
mehr die Farben seiner Dame und auch ein Wappenzeichen, welches sie
ihm gegeben hatte. Es war dies bald ein Ring, ein Gürtel, ein
Band, ein Schleier oder ein Aermel, welchen sie selbst getragen. Dies
befestigte der Ritter zu Ehren seiner Dame auf der Lanze oder dem
Schilde, und je zerfetzter es aus dem Kampfspiele oder blutigen Strauße
hervorging, desto größer war die Freude. Gegen ein neues Zeichen gab es
der Ritter öfter seiner Dame zurück, welche es wie den schönsten Schniuck
trug. Schon frühzeitig war es Sitte gewesen, daß die Ritter kunst-
reich gearbeitete Feldbinden und Gewänder von ihren Damen erhielten
und ihnen zu Ehren trugen.
Durch diese Auszeichnung, welche das Ritterthum dem weiblichen Die Damen
Geschlechte zuführte, vergaßen die Frauen ihre eben errungene Stellung ////^
und betrachteten nicht selten ihre Ritter als ein Spielzeug, mit dem di-Nmer als
ste in heiterer, spaßhafter Laune sich die Zeit zu verkürzen erlaubten,
Sie ließen sich nämlich nicht daran genügen, von den Rittern im All-
gemeinen Beweise der Liebe zu verlangen; sie forderten auch im Be-
sondern diese oder jene Unternehmung als Beweis des Gehorsams, des
Muthes und der Aufopferungsfähigkeit, welche uns die Geduld der
Männer und die Laune der Frauen ersehen läßt. Der Ritter wurde
oft in Aussicht entfernter Gunst auf jede Art gequält, mit Aufgaben
beladen, welche er nicht erfüllen konnte, und durch furchtbare Ungnade
bestraft, welche er, weil es Mode war, mit größter Selbstverläugnung
und meist mit wirklichem Schmerz ertrug. Der Tannhäuser, ein Minne-
11*